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Wort zur Woche
Die DNA des Christseins


Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Galater 6, Vers 2


Wolfgang Held. Der Weimarer Schriftsteller hat das Drehbuch zu einem legendären Film geschrieben. 1988 begeisterten sich weit mehr als eine Million Kinobesucher für "Einer trage des andern Last".

Von Felix Leibrock

Der Film geht zurück auf Erfahrungen, die Wolfgang Held in einem Sanatorium der 1950er-Jahre gesammelt hat. Zwei junge Männer sind schwer lungenkrank. Sie teilen sich das Zimmer in einem Sanatorium der DDR. Der eine ist Vikar der Kirche, der andere Marxist. Während der Christ langsam gesundet, geht es seinem Zimmerkollegen immer schlechter. Über kirchliche Wege kommt der Vikar an hochwirksame Medikamente aus dem Westen. Er stellt sie, zunächst heimlich, seinem ideologischen Widersacher zur Verfügung. Der Christ handelt so, wie es Paulus seinen Briefempfängern nahelegt: Nicht nur an sich selbst denken, die Lasten teilen, sie anderen abnehmen. Dann wird alles gut. Das Reich Gottes kommt. Das Gesetz Christi erfüllt sich.

Der Bibelsatz hat Wolfgang Held fasziniert. Einer trage des andern Last – wo das passiert, bricht etwas Neues und Positives an. Humanistisches Allgemeingut. Wie schwer dieser Satz umzusetzen ist, hat er selbst gemerkt. Er hat mir von seiner schwer an Demenz erkrankten Frau erzählt. Wie er sich den ganzen Tag um sie gekümmert hat. Ihre Last getragen hat. Aus Liebe. Aus Pflichtbewusstsein. Darüber ist er selbst erkrankt. „Sie müssen auch mal an sich selbst denken, Herr Held“, sagt ihm der Arzt. „Sonst können Sie nicht mehr lange Ihrer Frau helfen. Was machen Sie gerne?“ „Tennisspielen“, antwortet Held. „Dann spielen Sie Tennis!“ Also geht er zum Tennisplatz. Was hört er dort als Erstes? „Du hier, und deine kranke Frau lässt du alleine zu Hause?“ Held ist schnurstracks wieder zu seiner Frau gegangen.

Müsste man die DNA des Christseins benennen – für mich wäre der Paulussatz vom gegenseitigen Tragen der Lasten dabei. Er bringt das Christentum zum Glitzern. Aber: Trage nicht mehr, als du tragen kannst. Und lass andere auch deine Last mal tragen. Denn wer sich aufopfert, wird ein Opfer. Und Opfer sind zu keiner Hilfe fähig. Weil zu belastet.

Der Autor ist Pfarrer, zurzeit tätig in München.

Autor:

Online-Redaktion

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