Predigttext
Die Funktion von Obrigkeit
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Römer 13, Vers 1
Wer in einem Land ohne Demokratie und Gewaltenteilung leben muss, hört diesen Satz anders als jemand, dessen „Obrigkeit“ zur nächsten Wahl ausgetauscht werden kann.
Von André Demut
Und wer wie ich in der DDR aufgewachsen ist, kann besonders hellhörig auch Leerstellen und Zwischenräume einer mündlichen oder schriftlichen Rede wahrnehmen. Beides scheint mir wichtig fürs Hören auf Römer 13, Vese 1-7 für eine Predigt im Jahr 2024.
Was Paulus nicht ausdrücklich sagt, ist zugleich die Botschaft an die Gemeinde in Rom: Nicht der Kaiser ist „Gott“. Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Vater Jesu Christi. Und der Kaiser in Rom steht nicht über diesem wahren Gott, sondern unter ihm.
Es ist erstaunlich, wie nüchtern der Apostel hier über die römische Weltregierung spricht. Ihr pompöser Glanz blendet ihn kein bisschen, die Herrlichkeit Christi überstrahlt das Imperium Romanum bei weitem. Cäsar ist auch nur ein Mensch.
Ich bin sicher, dass die ersten Leser des Römerbriefes diese Pointe sehr genau registriert haben. Umso trauriger ist es, dass unser Predigttext jahrhundertlang zur religiösen Legitimierung auch noch der verbrecherischsten „Obrigkeit“ missbraucht wurde. Der subversive Klang war verloren gegangen, „Führer befiehl, wir folgen dir … weil ›Gott‹ es so will.“
Paulus dagegen bleibt vollkommen sachlich. Er kann einem funktionierenden Staat viel abgewinnen: Bei seinen Reisen durch Westasien und Südeuropa schätzt er das römische Straßennetz, die sicheren Häfen und seine verbrieften Rechte als römischer Bürger außerordentlich. Guten Gewissens kann er zum Zahlen von Steuern aufrufen (Vers 7) – er profitiert von der Infrastruktur. Wer Gutes tut, hat in einem pragmatisch funktionierenden Staatswesen nichts zu befürchten (Vers 3).
Entlang dieser Intentionen des Paulus können auch wir im Jahr 2024 viel anfangen mit diesem Text. Natürlich wird bei uns die „Obrigkeit“ nicht mehr von „Gott“ legitimiert, sondern vom „Volk“. Doch der christlich-nüchterne Blick des Paulus auf die Staatsgewalt täte auch uns gut. Regierende sind keine Götter, sondern Menschen, die genauso wie wir alle unter Gottes Gericht und unter seiner Barmherzigkeit stehen.
Autor:Online-Redaktion |
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