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Betrachtung
Die Windeln waschende Himmelskönigin

Von Luthers Wiederentdeckung der biblischen Maria
Von Propst Horst Gorski, Hamburg

Es geht ums Windelnwaschen. Darin, so Luther, sei Maria ein Vorbild gewesen: »Die Engel sehen mich für Gottes Mutter an, und hab mich’s dennoch nicht erhoben. Ich hätte auch Reden halten können, bin aber nicht hoffärtig gewesen, sondern hab’ aller meiner Ehr vergessen, bin zu Fuß über das Gebirg gegangen zu meiner Mume, hab’ ihr gedient, der Wöchnerin, hab’ die Windeln gewaschen. – Die Herrin über Himmel und Erde soll all ihrer Güter vergessen, ein solch gering Herz haben, sich nicht schämen, Windeln zu waschen, dem Johanni ein Bad zu machen als ein Magd im Hause. Diese Demut ist zu hoch, um sie zu begreifen. Es sollten billig alle Berge gehupft und getanzt haben.«
Martin Luther hat die Marienverehrung sozusagen vom Kopf auf die Füße gestellt. Als Mönch hatte er die mittelalterliche Marienfrömmigkeit gelernt. »Wir haben’s auch im Papsttum getan, dass wir alles auf die Jungfrau bezogen haben, als dass sie diejenige sei, da man allen Trost und Zuversicht auf setzen sollte, dass sie uns aus Nöten erretten könnte.« Er habe gelernt, Christus als Richter, Maria aber als Gnadenstuhl anzubeten. Maria war, jedenfalls in weiten Teilen der Frömmigkeit, an die Stelle Jesu getreten.
Luther entdeckt die biblische Maria wieder, die einfache junge Frau. Im Jahre 1521 schreibt Luther für Herzog Johann Friedrich von Kursachsen eine Auslegung des Magnifikats, also des Lobgesangs der Maria (Lukas 1, 46-56).
Zum Dreh- und Angelpunkt seiner Auslegung wird der Vers: »Denn Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.« Gegen die Tradition, die Maria zur Himmelskönigin gemacht hatte, setzt er das biblische Zeugnis: Maria war eine Magd. Und Gott hat ihre Niedrigkeit angesehen. »In den Gütern gibt er das Seine, im gnädigen Ansehen gibt er sich selbst.« Was Maria ist, ist sie durch Gottes Ansehen. Für Luther wird Maria so zum Vorbild des von Gott gerechtfertigten Menschen. Gegen die Tendenz des Mittelalters, Maria an die Stelle Jesu zu setzen, rückte Luther das Verhältnis wieder zurecht: »Sie will nicht, dass du zu ihr kommst, sondern durch sie zu Gott, an ihr lernst, in Gott zu trauen und hoffen.« Darum konnte Luther sie auch nicht mehr, wie er gelernt hatte, als Fürsprecherin anrufen. »Gern will ich sie haben, dass sie für mich bitt, aber dass sie mein Trost und Leben sei, will ich nicht, und dein Gebet ist mir gleich lieb als das ihre. Wieso? Wenn du glaubst, dass Christus gleich als wohl in dir als in ihr wohnt, kannst du mir als wohl helfen als sie.«
Nachdem Luther diese Klärungen für sich vollzogen hatte, predigte er bis zum Lebensende zu allen Marienfesten. Luther hat – entgegen verbreiteter Meinung – die Marienverehrung nicht abgeschafft. Die Frage ist nicht, ob Luther Maria verehrt hat, sondern wie. Er hat sie befreit aus der mittelalterlichen Frömmigkeit, die aus ihr eine Miterlöserin neben Christus gemacht hatte. Er hat sie entdeckt als Mutter Jesu, als niedrige Magd, die von Gottes Ansehen lebt und gerade darin dem gerechtfertigten Menschen ein fröhliches Vorbild ist.
Bleibt eine letzte Frage: Hat Luther selber seinen Kindern die Windeln gewaschen? Nun, er hat es jedenfalls anderen Vätern empfohlen. »Wenn ein Mann hinginge und wüsche die Windeln oder tät sonst am Kinde ein verächtlich Werk, und jedermann spottet sein und hielt ihn für einen Maulaffen oder Frauenmann. Lieber, ich sage: Wer spottet hier des andern am feinsten? Gott lacht mit allen Engeln und Kreaturen, nicht dass er die Windeln wäscht, sondern dass ers im Glauben tut.« Ob er das im eigenen Hause gelebt hat? Da müssten wir wohl seine Käthe fragen!

Der Autor ist Vorsitzender des Theologischen Ausschusses der Nordkirchensynode.

Autor:

Online-Redaktion

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