Predigttext
Ein kleiner Widerstand
Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 21,24): »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch … Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.Matthäus 5, Verse 38 und 39
Durch den Nothilfefonds der Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland habe ich mit Frauen zu tun, die in ihren eigenen vier Wänden Gewalt durch den Ehemann erleben. Das, was diese Frauen erfahren müssen, hat meine Gedanken zu diesen Versen verändert.
Von Eva Lange
Ich kann den Frauen nicht antragen, die „andere Wange hinzuhalten“, um gottgefällig zu leben. Das wäre nicht nur herzlos, es wäre unethisch, denn es bietet den Opfern keine Stärkung und spricht das Vergehen der Täter nicht aus. Denn Gott ist ein Gott der Befreiung und will Frauen und Männer ermutigen, Gewalt zu benennen und daraus auszubrechen.
Im Text spricht Jesus zu einer Gruppe. Sie waren der Besatzung der Römer ausgeliefert und litten unter der Gewalt der römischen Soldaten. Gewalt und Ungerechtigkeit zu erleben, löst eigene Aggression aus. Jesus zeigt ihnen auf, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, als Gewalt mit Gewalt zu vergelten.
Anführer von gewaltfreiem Widerstand wie Martin Luther King haben genau darauf gesetzt: dass sich Gerechtigkeit durchsetzt, wenn viele Menschen gemeinsam gewaltfrei handeln. Beim Marsch auf Washington 1963 forderten 250 000 Menschen das Ende der Rassendiskriminierung. Gemeinsam haben sie das Ziel erreicht.
Den Hörenden damals war klar, dass von der rechten Hand die Rede ist, da die linke Hand als unrein galt. Auf die „rechte Wange“ mit der rechten Hand konnte nur mit dem Handrücken geschlagen werden. So schlugen Herren ihre Sklaven. Wenn nun ein Geschlagener die andere Wange darbietet, dann muss der Schläger entweder aufhören – oder so schlagen, wie man nur Ebenbürtige schlägt: mit der Innenseite der Hand.
Die andere Wange hinzuhalten, war damals eine kleine Widerstandshandlung. Sie war möglich, wenn sich der Einzelne von einer gleichgesinnten Gruppe getragen wusste. Wie können wir heute zeigen, dass Frauen mit Gewalterfahrung nicht allein sind, sondern dass sie in unseren Kirchengemeinden Unterstützung finden? Die Frauen brauchen uns, damit die Gewalt im häuslichen Bereich nicht unsichtbar bleibt und damit sie ein Ende findet.
Die Autorin ist Pfarrerin in Halle.
Autor:Online-Redaktion |
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