Predigttext
Eine neuePerspektive
Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen.
Apostelgeschichte 16, Vers 23
In vielen Gemeinden ist der heutige Sonntag „Kantate“ eine feste Größe für das Singen im Gottesdienst. „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ lautet der Wochenspruch aus Psalm 98,1. Wir hören im Predigtwort von Paulus und Silas, die wegen ihrer Rede geschlagen und eingesperrt werden. Merkwürdigerweise reagieren sie nicht wütend auf ihren Peiniger, sondern singen im Gefängnis Gott zum Lob. Sie tun’s nicht in der frommen Versammlung, sondern an dem Ort, wo sonst „Schimpf und Schande“ laut werden, und bewirken mit ihrer unerwarteten Reaktion Verwunderliches: „Grundfeste des Gefängnisses geraten ins Wanken, Türen öffnen sich und Fesseln fallen ab“, heißt es. Wie ist das zu verstehen? Wo Menschen „Schimpf und Schande“ gewohnt sind, stellt überraschendes Lob Grundsätzliches in Frage.
Wo alte Verhaltensmuster aufbrechen, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Horizonte können sich auftun, an die keiner gedacht hat: Nicht mehr die Gefangenen sind abhängig vom Gefangenenwärter, sondern umgekehrt der Wärter von den Gefangenen. Und das Neue geht weiter! Nicht das bekannte „wie du mir, so ich dir“, sondern gänzlich Neues wird möglich: die Errettung nicht zu Lasten des anderen! Das alte Lied aus der Perspektive der Täter/Opfer oder der Freunde/Feinde ist plötzlich überholt, weil Schwarz und Weiß einander im Lob Gottes ergänzen: dort, wo es um die Errettung aller geht. Die einseitige Darstellung eines komplexen Geschehens bricht auf und macht deutlich, wie verstrickt sogar jene waren, die sich schuldlos wähnten.
Dieses „Singet dem Herrn ein neues Lied“ hat also nicht allein etwas mit Notenkenntnis oder „Gold in der Stimme“ zu tun, sondern mit einer neuen Perspektive auf das Leben. Alles Lebendige ist veränderlich, immer wieder neu. Aber das, was wie ein Kontinuum unter dieser so abwechslungsreichen Lebens-Melodie-Linie liegt, ist das Wunderwirken des Herrn an uns Menschen. Er ist’s, der allen so verschiedenen Stimmen den Rhythmus schenkt, damit das Gesamtwerk zur Freude gelingt. Mögen wir mit unserem Tun von diesem Wunder-wirken Gottes singen.
Mechthild Hinz
Autor:Online-Redaktion |
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