Predigttext

Fenster zum Himmel

Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm. 1. Samuel 16, Vers 23

Ein Konzert des Nigun-Quartetts aus Tel-Aviv im Rahmen der Jüdisch-Israelischen Kulturtage in Erfurt: Mit Kontrabass, Klavier, Percussion, Saxofon und Gesang erklingen Niguns, chassidische, sich wiederholende Melodien, die von Generation zu Generation weitergeben werden. Hier werden sie neu und jazzig interpretiert. Ein Erlebnis besonderer Art. Ich bin tief berührt und tauche ganz in die Musik ein.

Von Mirjam Redeker

„Ein Nigun öffnet Fenster in der Seele“, sagt Rabbi Josef Jizchak. Durch Singen und Klänge wird die Seele hinaufgetragen zu Gott. Aber auch das Göttliche wieder zur Erde hinuntergezogen. Im Hebräischen steht für das Spiel von Saiteninstrumenten das Verb „nagan“, von dem sich Nigun, die Melodie, ableitet. Ein Nigun öffnet für den guten Geist Gottes, schenkt neues Leben und Heilung. Versüßt die bitteren Seelen und erfüllt sie mit Licht. Ist eine Brücke zu Gott. Wie die Lieder und das Saitenspiel Davids für Saul immer wieder seine Bitterkeit und den schlimmen Geist vertrieben, damit sich Saul von Neuem dem guten Geist Gottes öffnen konnte.

Immer wieder braucht es Melodien, Lieder und Texte, damit auch unsere „Trauergeister“ weichen (EG 396,6). Als König wusste David davon ein Lied zu singen: im Psalter begegnen uns zahlreiche Lieder, die von eigener Schwäche und Not singen. Wenn David für Saul spielt, sind beide keine Konkurrenten, sondern David steht Saul zur Seite. Für David ist die Musik Zeit seines Lebens eine entscheidende Brücke zu Gott. Sie ist Ausdruck seiner Gottesbeziehung. Mit Musik kommt König David mit Gott in Kontakt. Lässt sich von ihm berühren und anrühren. Musik ist ein Ausdruck der geistigen Dimension des Menschen, die uns ausrichtet auf Gott.

Kantate: „Singt!“ – dieser Sonntag lädt uns zum Dank für die Musik ein, als eine besondere Gabe Gottes. Sie ist viel mehr als nur schmückendes Beiwerk unserer Gottesdienste. Sie hat eine eigene, verwandelnde Kraft und Macht, die von schweren Gedanken, Sorgen und Lasten befreit. Sie aktiviert Gefühle und schenkt Freude. Sie schafft eine Atmosphäre, die uns für Erfahrungen mit Gott öffnen kann. Musik ist ein Fenster zum Himmel.

Die Autorin ist Pfarrerin in Erfurt.