Holocaust-Überlebender
Gedenken an Ivan Ivanji
Dachau (red) - Am Freitag, 30. August, 12.30 Uhr, erinnert Kirchenrat Dr. Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau, in einer ökumenischen Andacht an Ivan Ivanji, der am 9. Mai 2024 bei einem Besuch in Weimar im Alter von 95 Jahren verstorben ist.
Ivan Ivanji wurde 1929 im Königreich Jugoslawien, im heutigen Zrenjanin (Serbien), geboren. Seine Eltern, säkulare Juden, hatten in Deutschland Medizin studiert. Seine Kindheit verbrachte er im von der Vielfalt unterschiedlicher Nationen, Religionen und Kulturen geprägten Banat. Zu Hause sprach man deutsch, ungarisch und serbisch. Diese Vielfalt hat Ivan Ivanji Zeit seines Lebens als Bereicherung beschrieben, die ihn ebenso wie der Verlust seiner Eltern und seine eigene Deportation im Mai 1944 und die Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald für immer geprägt haben.
Im November 2017 war der Literat („Mein schönes Leben in der Hölle“) und einstige Dolmetscher Titos auf Einladung von Pfarrer Mensing aus Belgrad nach Dachau gekommen. Er sprach im Rathaus bei der Gedenkfeier zum Jahrestag der Pogromnacht, besuchte die KZ-Gedenkstätte und stellte sich dem Gespräch mit Jugendlichen in der Berufsschule.
Gerade weil Ivan Ivanji immer wieder Einladungen nach Deutschland annahm und einen Teil seiner Bücher auf Deutsch schrieb, hat ihn zuletzt große Sorge um Deutschland umgetrieben. Er habe nicht geglaubt, dass Neonazis „hier in Deutschland (…) wieder die Macht übernehmen.“ Und er fügte hinzu: „Für unvorstellbar kann ich es nicht mehr halten.“ Er beobachtete „die Entwicklung hier im Lande, wo das Lager Buchenwald stand, mit Besorgnis, mit Schrecken. Es ging ja nicht nur um Thüringen, nicht nur um Deutschland, ich fürchte, es geht um die Idee der parlamentarischen Demokratie“.
Treffend würdigte Prof. Dr. Jens-Christian Wagner als Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Ivan Ivanji in einem Nachruf: „Völkischer Nationalismus, kulturelle Hybris, Ressentiments gegenüber Menschen anderer Herkunft, anderen Glaubens, anderer politischer Überzeugungen waren ihm fremd. Was für ihn zählte, waren praktizierte Mitmenschlichkeit und Solidarität in Anerkennung der Würde eines jeden Menschen auf dieser Erde. Was für ihn zählte, war die Sicherung eines jeden und einer jeden vor Ausgrenzung, Ausbeutung und rassistischer Entmenschlichung.“
Nicht mehr erleben muss Ivan Ivanji, wie es dieser Tage zu massiven Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen gegen seinen Freund Jens-Christian Wagner kommt, weil er vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September in einem Brief an 350.000 Haushalte vor einer Wahl der rechtsextremen AfD warnt, die „die Schrecken des Nationalsozialismus kleinredet“ und „das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus (…) aus der Erinnerung tilgen will.“
Kirchenrat Björn Mensing, der Jens-Christian Wagner bei einer Gedenkveranstaltung in Thüringen persönlich begegnet ist, verurteilt die Angriffe aufs Schärfste und solidarisiert sich mit dem bedrohten Kollegen, so wie es jetzt mit dem Appell „Solidarität mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora – Geschichtsrevisionismus und Diskriminierung stoppen!“ zahlreiche Akteure der kritischen Erinnerungsarbeit tun.
Als Pfarrer und Leiter der zentralen Gedenkkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Opfer des Nationalsozialismus teilt Björn Mensing – sicher ganz im Sinne von Ivan Ivanji – Jens-Christian Wagners eindringliche Bitte an die Menschen in Thüringen und Sachsen: „Gehen Sie am 1. September zur Wahl und wählen Sie demokratische Parteien und ihre Kandidaten!“
Autor:Online-Redaktion |
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