Einblick
Glaube auf der Probe
Muslimische Asylbewerber, die zum Christentum wechseln, stoßen schnell auf das Misstrauen der Behörden. Für Kirchenvertreter ist diese Haltung unerträglich.
Von Christoph Schmidt
Wer als Muslim zum Christentum übertritt, geht oft ein hohes Risiko ein. In islamischen Ländern drohen Diskriminierung und Verfolgung. In Europa müssen die sogenannten Konvertiten zumindest Anfeindungen aus der eigenen Community befürchten – bis hinein in die Familien. Wer als muslimischer Asylbewerber zum Christentum wechselt, stößt obendrein auf das Misstrauen der Behörden. Schnell steht der Verdacht im Raum, die Neuchristen wollten lediglich ihre Abschiebung in Staaten wie Iran oder Afghanistan verhindern.
Bald nach Beginn der Flüchtlingskrise 2015 stieg die Zahl von Neuankömmlingen, die bei Pfarrern um die Taufe baten. Im nächsten Jahr war in Berichten schon von Tausenden die Rede. Besonders die evangelischen Freikirchen gewannen viele neue Mitglieder. Allein der Berliner "Flüchtlingspfarrer" Gottfried Martens hat bisher nach eigenen Angaben mehr als 1000 von ihnen getauft. Er sprach von einem "Segen der Flüchtlinge" für das Christentum in Deutschland. Eine Gesamtzahl der seit 2015 übergetretenen Einwanderer gibt es nicht, weil die Kirchen keine zentralen Statistiken darüber führen. Zuwächse aus der Gruppe der Geflüchteten meldeten aber auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Kirche.
Allerdings auf eher niedrigem Niveau. So ergab eine Stichprobe bei 22 der 27 katholischen Bistümern für das Jahr 2017 eine Summe von mindestens 507 Taufanfragen und 262 vollzogenen Taufen von Menschen mit Fluchthintergrund. In der EKD dürften die Zahlen nur leicht höher sein, legt man Ergebnisse der rheinischen Landeskirche aus dem Jahr 2016 zugrunde. Offenbar wendet sich die Mehrheit der Taufwilligen den Evangelikalen zu.
In den Asylverfahren spielt das Thema Konversion als sogenannter Nachfluchtgrund häufig eine Rolle, genaue Zahlen fehlen aber auch hier. Der Übertritt zum Christentum werde "überproportional häufig von Antragstellern aus dem Iran vorgetragen", teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Anfrage mit. Sie führe grundsätzlich zur Schutzgewährung, wenn dem Asylbewerber wegen seines Glaubensübertritts im Heimatland Verfolgung droht. Vorher wird allerdings penibel geprüft, ob der Betroffene aus echter Überzeugung übergetreten ist, und wie intensiv er seinen Glauben lebt. "Man darf von einem Volljährigen schon erwarten, dass er in der Lage ist, nachvollziehbar zu machen, was jetzt die Glaubensgrundsätze oder Praktiken sind, die für ihn den Ausschlag zur Konversion gegeben haben", sagte jüngst die Bamf-Vizepräsidentin Ursula Gräfin Praschma.
Inzwischen gibt es in jeder Außenstelle der Behörde einen Experten für diese Fälle. Die meisten werden abgelehnt und landen vor Gericht. Aber auch dort gelingt es Asylbewerbern allen verfügbaren Zahlen nach nur selten, die Richter von der Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels zu überzeugen. Obwohl sie in der Regel Empfehlungsschreiben von Pfarrern und Gemeindevorständen vorlegen können.
Kirchenvertreter sind über diese Praxis erbost. Der frühere evangelische Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit nannte sie einen "Angriff auf das Grundgesetz". Solche Glaubens-tests unterwanderten die Trennung von Staat und Kirche. Nur die Kirchen hätten das Recht zu entscheiden, wer zu ihnen gehöre oder nicht. Argumentiert wird auch, dass Asylbewerber sprachlich oft gar nicht in der Lage seien, komplizierte Fragen zu ihren religiösen Motiven zu beantworten.
Besonders der christliche Gedanke der individuellen Freiheit ziehe Menschen aus strengen islamischen Gesellschaften an, berichten Pfarrer. Auch die Erfahrung der vorgelebten Nächstenliebe durch kirchliche Helfer beeindrucke Flüchtlinge oft so, dass sie das Evangelium selbst annähmen.
Kaum einer bestreitet, dass es bei Täuflingen auch asyltaktischen Missbrauch gibt, gerade bei "Blitztaufen", wie sie in manchen Freikirchen vorkommen. Bei den beiden Amtskirchen können sich Pfarrer in langen Vorbereitungskursen ein gutes Bild von ihren neuen Schäfchen machen. In den katholischen Bistümern dauert das sogenannte Katechumenat sogar ein ganzes Jahr. Das staatliche Bleiberecht sollte da bereits erteilt sein, um jeden Verdacht auszuschließen. Bei Bewerbern ab 14 Jahre entscheidet gemäß Kirchenrecht-Canon 863 zudem der leitende Bischof über die Taufe und spendet sie in der Regel persönlich, "wenn er dies für angebracht hält". (kna)
Autor:Online-Redaktion |
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