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Wochenlied-Serie – Folge 8
Gottes Treue trägt

Foto: eva-leipzig.de

Das Evangelische Gesangbuch feiert sein 500-jähriges Jubiläum. In einer Serie stellen Kirchenmusiker aus Mitteldeutschland jeden Monat ein Wochenlied vor. In dieser Folge ist es das Lied »Gelobt sei deine Treu" (EG Ergänzungsheft 16).

Von Christian Kollmar

Was mich an diesem Lied überzeugt und berührt, ist zuerst sein Klang. Der Wohlklang der Worte, ihr fließender Rhythmus. Die helle Melodie, ihr Spannungsbogen, ihr gelassener Grundton. Hinzu kommen die sprachlichen Bilder, die das Lied groß machen und mich aufrichten, wenn ich es singe: Der Mantel der Liebe. Die Ruhe der Nacht. Und am Morgen die güldene Welle des Lichts.

Das Lied spricht eine sehr poetische Sprache. Aber es wird nicht zum Kitsch. Sein Wohlklang und die poetischen Bilder sind kein rührseliger Selbstzweck. Mit dem Mantel der Liebe klingt auch die Kälte an, vor der er mich schützen muss. Und Gottes Licht scheint nicht auf meine Heiterkeit, es trifft mich in meinem Ungemach. Hier, im Ungemach, bewährt sich Gottes Treue.

Der Texter Gerhard Fritzsche und der Melodist Johannes Petzold: Sie müssen ihre Zeit als angefochten erlebt haben, der Treue Gottes bedürftig. Beide sind in Sachsen in einfachen Verhältnissen geboren, kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Beide waren junge Männer Anfang zwanzig, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Beide wirkten in der Kirche, der eine als Jugendmitarbeiter, der andere in der Singbewegung.

Fragwürdig bleibt uns heute, dass Johannes Petzold als Student 1933 in die SA eintrat, in die Kampforganisation der Nazis, auch wenn er deren Ideologie nicht propagierte. Im Rückblick ist es einfach zu sehen, wie fragwürdig das war. Damals, im Erleben der Gegenwart, war es für Johannes Petzold viel schwieriger. Das macht ihn uns an dieser Stelle nicht zum Vorbild, aber es macht ihn uns nahbar, auch im Erleben unserer komplexen Gegenwart heute. Und die Schwächen seiner Person rauben seinen Melodien nicht ihre Stärke.

Das Lied gehört als Wochenlied zum 16. Sonntag nach Trinitatis. Am Beginn des Herbstes, wenn die Nächte wieder länger sind als die Tage, feiern wir das „kleine Ostern“: Gottes Treue trägt uns durch Dunkelheit und Tod hindurch. Umso merkwürdiger wirkt der Schluss des Liedes. Es endet wie unser Leben – bis unser Mund im Tode schweigt. Das Lied bleibt an dieser Grenze stehen.

Ich deute diesen Schluss des Liedes wie den Schluss des Markusevangeliums. Die Frauen am Ostermorgen, die Zeuginnen der Botschaft von Jesu Auferstehung: "Sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich" (Markus 16, Vers 8). Ende. Trotzdem hat sich die frohe Botschaft durchgesetzt. Es war und ist Gott selbst, der sich zur Sprache bringt – wo wir sprachlos sind, wo wir von ihm reden und wir ihm lobsingen.

Der Autor ist Theologiedozent an der Hochschule für Kirchenmusik Dresden und Landesposaunenpfarrer der Sächsischen Posaunenmission. 

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Online-Redaktion

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