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Rezension
Immer schön in Bewegung bleiben

Dieses Buch ist wie eine Decke, die man an Tagen, an denen der Wind kalt weht, um die Schultern legt. Mit großer Wärme schreibt der Theologe Martin Knispel über Orte, "wo deine Seele zu Hause ist" und lädt dazu ein, einen Glauben zu entdecken, der durch das Leben mit seinen Höhen und Tiefen, Durststrecken und Oasen trägt.

Von Katja Schmidtke

Dazu teilt der Theologe und Pädagoge, der in Deutschland und Afrika tätig gewesen ist, sein Buch in drei Teile, beschreibt darin sowohl die Kennzeichen einer gesunden wie einer krank machenden Spiritualität und bilanziert, was hält und trägt.

Das mag zunächst wie die Zutatenliste in einem Kochbuch klingen, zuweilen auch etwas technisch und kategorisierend. Aber Knispel schreibt empathisch und lebensnah über innere und äußere Freiheiten. Er lässt Lebensumstände, Privilegien und Erziehung nicht außer Acht und schildert, wie dadurch Glaubenssätze geprägt werden können und welches Potenzial diese haben, die eigene Beziehung zu Gott zu stören. Da geht es zum Beispiel um die Messlatte, die Eltern an ihre Kinder legen oder um das Bild von einem Gott, der alles sieht (und vor allem alle Fehler) – da kommt die Angst vor Fehlern zur Sprache ebenso wie der Leistungsdruck, aber auch das Bedürfnis, moralisch zu kategorisieren. All das seziert Knispel mit Verweis auf biblische Texte, wissenschaftliche Studien und eigene Beobachtungen und Erfahrungen. Manchmal geraten die Kapitel ob der Komplexität der Thesen doch zu kurz. Knispel reißt an, was etwa Christen wie die Autorin Veronika Smoor sehr ausführlich und persönlich unter dem Oberbegriff "Dekonstruktion des Glaubens" öffentlich verhandeln.

Und doch geht das Thema nicht nur besonders Fromme etwas an. Unter dem Kapitel "Das war schon immer so" spricht der Autor auch die Verunsicherung in den Gemeinden evangelischer Landeskirchen an. Zum Beispiel: "Im Protestantismus ist es das verkrampfte Festhalten an einer überkommenden Liturgie mit Orgelmusik, die über 90 Prozent der Menschen heute laut einer Umfrage nicht schätzt. Aber Orgel muss sein. Moderne Popmusik im Regelbetrieb? Die Mehrheit der Kirchenmusiker würde sich entsetzt abwenden. Niemals. Das haben wir noch nie gemacht. (…) Ausnahmen lässt man zu, das Exotische darf durchaus einmal sein, aber dann kehrt man doch gern zur gewohnten Routine zurück." Man darf sich durchaus wundern, betroffen sein, widersprechen, sich ärgern – und nachdenken. In diesen Momenten ist Knispels Buch keine wärmende Decke, eher ein Eisbad: schmerzhaft, aber belebend.

Deutlich und immer wieder spricht sich Knispel für Veränderung und Vertrauen aus, für Offenheit und Neugier, für Versöhnung und für eine lebendige Alltagsspiritualität, zum Beispiel durch Stille. Er macht Mut für echte zwischenmenschliche und spirituelle Begegnungen, für Beziehungen, die tief sind und für ein Leben, in dem Zweifel, Fehler, Scheitern und Verlust ihren Platz haben. Es bleibt ein Suchen, ein Loslassen, Finden und immer wieder neu Auf-brechen – mit einem Begleiter, der uns "auf rechter Bahn leiten" will (Sprüche 4,11). – Was für eine Reisebegleitung auf der Suche nach dem Zuhause!

Knispel, Martin: Wo deine Seele zuhause ist. Entdecke einen Glauben, der dich durchs Leben trägt. Verlag: adeo, 217 Seiten, ISBN 978-3-86334-360-6; 11,99 Euro

Autor:

Katja Schmidtke

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