Wort zur Woche
Internationale trifft Kirchenlied
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Galater 6, Vers 2
Anfang der 1950er-Jahre werden ein Offizier der Volkspolizei und ein evangelischer Vikar in ein gemeinsames Zimmer eines privaten Lungensanatoriums eingewiesen, beide erkrankt an Tuberkulose.
Von Christoph Knoll
Während der eine sein Stalinbild an die Wand pinnt, hängt der andere seinen Christus an. Wenn der eine morgens beim Rasieren selbstvergessen die Internationale anstimmt, dann setzt der andere dagegen „Eine feste Burg ist unser Gott“. Zwei ganz unterschiedliche Männer, die sich nicht aus dem Wege gehen können. Das kann nicht gutgehen – oder doch? Es dauert nicht lange, da stehen sie vor dem Chefarzt des Sanatoriums mit der dringenden Bitte, auseinandergelegt zu werden. Doch der Chefarzt weigert sich – sie müssen es lernen, miteinander auszukommen.
Lernen, miteinander auszukommen! Die Last, das Unbequeme, das Nervende, das Langweilige, das Aufreibende am anderen zu ertragen oder gar zu tragen, das kann zur Qual werden oder auch zur Erschöpfung und zu einem eigenen Zusammenbruch führen. Klar, das kann passieren. Die Dosis macht das Gift. Es kann aber auch anders gehen. Es soll anders gehen, sagt der Apostel Paulus. Lernen, miteinander auszukommen. Das ist manchmal ja schon Last genug! Im Pfarrkonvent. In der Firma, in Familien, in Gemeinden. Das geht wohl nur mit einigen Übungen: Zum Beispiel im Einüben von Toleranz im Zusammenleben Andersdenkender. Oder erst einmal empathisch zuzuhören auf das, was der Andere sagt und ihm oder ihr mitteilen, was ich verstanden habe von dem, was mein Gegenüber mir sagen will.
Das ist schwer genug, denn die eigene Meinung zu behalten, ist doch viel schöner, stimmts? Sich einlassen auf den Anderen. Zu wissen, dass dessen Weg nicht eigenen Vorstellungen folgt. Die eigenen Schuhe, die eigenen Wege, die eigenen Ziele zugunsten des Anderen zurückstellen. Theologisch gesprochen: Nicht Selbstaufgabe, sondern Hingabe – und damit etwas von einer Last meines Gegenübers verstehen. Die Last meines Gegenübers mitzutragen, kann sogar zum Gewinn werden.
Der Autor ist Pfarrer in der Thomasgemeinde Erfurt.
Autor:Online-Redaktion |
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