Rezension
Jesu Worte zur Hölle sorgen für aktuelle Assoziationen
Als Karl Barth nach dem Ersten Weltkrieg seine Auslegung des Römerbriefs veröffentlichte, stand der evangelische Pfarrer aus Safenwil am Anfang seiner weltweiten Wirksamkeit. Das Wirken des emeritierten katholischen Tübinger Neutestamentlers Gerhard Lohfink aber steht mit seinem Buch über „die wichtigsten Worte Jesu“ vor einem Abschluss.
Von Ulfrid Kleinert
Beide Publikationen, die ein Jahrhundert auseinanderliegen, haben eins gemeinsam: Sie stellen sich kenntnisreich quer zu herrschenden Lehrmeinungen und lassen spüren, weshalb die junge Gemeinde der Jesusnachfolger „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ genannt wurde. Sie sind anstößig. Deshalb ist Lohfinks Buch so lesenswert und sei allen Laien und Theologen gleichermaßen empfohlen.
Sie finden hier eine klar konturierte, pointiert dargestellte und gut lesbare biblische Theologie. Man muss ihr nicht in allen Einzelheiten zustimmen, sie ist aber aller Aufmerksamkeit wert. Lohfink hat seine radikale Theologie anders als einst Karl Barth nicht vom Römerbrief her gewonnen, sondern durch eingefahrene Denk- und Glaubenswege verlassende, wiewohl auf sie bezogene Worte Jesu.
Seiner Meinung nach hat Jesus von Nazareth in der Begegnung mit Menschen seiner Zeit prägnant formulierte und bis heute gültige Sätze gesagt, deren Sinn Lohfink für Zeitgenossen heute erschließt. Er findet Jesu Worte überwiegend in einer Spruchquelle gesammelt, in der sie nach Jesu Tod schriftlich überliefert worden seien.
Worte aus dieser „Quelle“ wurden von Matthäus und Lukas in ihre Evangelien aufgenommen und in einen neuen Zusammenhang gestellt. Gelegentlich tauchen einzelne Formulierungen davon auch bei Markus und später bei Johannes auf.
In sieben Kapiteln entwirft Lohfink in einer sachkundigen Auslegung dieser Worte ein Bild der Lehre Jesu, seines Lebens und seiner Wirkung. Die Reihe dieser Kapitel beginnt mit dem in Jesu Worten gegenwärtigen „Ereignis der Gottesherrschaft“. Dann folgen die „Aussendung der Zwölf“ und eine Beschreibung der „Jünger-Existenz“.
In der Mitte, also dem 4. Kapitel, steht die Auslegung der bei Matthäus in der „Bergpredigt“ zusammengefassten Worte Jesu über „Leben im Licht der Gottesherrschaft“. Erst danach geht es um „Jesu Hoheitsanspruch“ und um die von Jesus aufgezeigte „Krise Israels“. Am Ende entfaltet Lohfink Jesu Leben „im Angesicht des Todes“ und seiner Überwindung.
Als besonders markant fallen Lohfinks Ausführungen zum Verstehen Israels und zur Kritik der Selbstbezogenheit des Menschen heute auf. Jesu Worte zur Hölle und ihrer Bedeutung führen sicher bei manchen Lesern Bilder vor Augen, die Putins Krieg in der Ukraine vielen eingebrannt hat und von denen Lohfink bei Abfassung seines Buches noch nicht wissen konnte. Das Buch muss man übrigens nicht in einem Zug lesen. Denn es enthält in jedem der vielen kleinen Unterabschnitte Schätze von Informationen und gemeindenahen Erfahrungen bereit, die auch für sich stehen.
Sie lassen sich durch einen zum Schluss beigefügten Anhang gut erschließen. Dort finden sich nämlich Seitenverweise auf „wichtige Themen“ und auf alle biblischen Schriftstellen (von 1. Mose bis zur Offenbarung), die im Buch behandelt werden. Eine Fundgrube für neugierige und anspruchsvolle Bibelleser!
Lohfink, Gerhard: Die wichtigsten Worte Jesu, Verlag Herder, 424 S., ISBN 978-345139-190-3; 32,00 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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