Interreligiöse Denkfabrik
Jüdisch-muslimische Dialog der Zukunft
Das Verhältnis von Juden und Muslimen in Deutschland ist mitunter nicht ganz einfach: Wenn der Nahostkonflikt hochkocht, kann das auch hier zu Spannungen und offener Aggression führen. Auch von muslimischer Seite können sich Juden dann von Antisemitismus bedroht fühlen. Andererseits gibt es feste Freundschaften oder gut funktionierende Netzwerke.
Für Leticia Witte
Eines davon ist "Schalom Aleikum". Das Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland versteht sich als Forum für jüdisch-muslimischen Dialog. Nun ist es in eine "Denkfabrik" umgewandelt worden. Erforscht werden sollen darin "gesellschaftlich und politisch relevante Themen, die aus jüdischer und muslimischer Perspektive diskutiert werden". Geplant sind Veranstaltungen und Publikationen. Die Initiatoren sehen darin eine Stärkung für Demokratie und Zusammenhalt.
Leiter der Denkfabrik ist Dmitrij Belkin, der schon Chef von "Schalom Aleikum" war, als es noch als Dialogprojekt firmierte. Belkin verweist auf das aus dieser Zeit bestehende Netzwerk aus muslimischen und jüdischen Unternehmern, Gastronomen und Ärzten. Mit der Weiterentwicklung zur Denkfabrik solle diese Expertise genutzt werden, um Erfahrungen und Entwicklungen zu analysieren.
Seinerzeit bewerteten Zentralratspräsident Josef Schuster und die Sozial- und Islamwissenschaftlerin Yasemin El-Menouar den jüdisch-muslimischen Dialog auch als wesentlich im Kampf gegen antisemitische und muslimfeindliche Ressentiments. Rassismus und Antisemitismus seien Themen, die Juden und Muslimen in unterschiedlichen Formen begegneten und denen sie gemeinsam entgegentreten könnten.
Es ist nicht die einzige Denkfabrik für jüdisch-muslimischen Dialog in Deutschland: 2019 nahm der Think-tank "Karov-Qareeb" seine Arbeit auf. Gemeinsam war er vom jüdischen Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk (ELES) und dem muslimischen Begabtenförderungswerk Avicenna entwickelt worden.
Im selben Jahr sagte der damalige ELES-Geschäftsführer Jo Frank allgemein zur Kooperation mit Avicenna: "Es bestehen Spannungen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften. Aber Juden und Muslime stehen sich nicht so gegensätzlich gegenüber, wie Nicht-Juden und Nicht-Muslime das oft denken."
Auf gesellschaftlicher Ebene gebe es mehr Einendes als Trennendes: "etwa die Migrationserfahrung, die religiöse Praxis. Auf politischer Ebene gibt es vieles, über das wir zu streiten haben – manchmal auch schmerzvoll. Wie unser Verhältnis ist, das möchten wir jedenfalls gern selbst bestimmen", betonte Frank.
Belkin wirft die Frage auf, wie das Gespräch zwischen den Religionen künftig aussehen könnte. Aus seiner Sicht jedenfalls nicht mehr so, wie es vor Jahrzehnten auf christlich-jüdischer Ebene geführt worden sei. Sondern eher so, dass der Dialog eine breitere Öffentlichkeit beteilige und neugierig mache -auf aktuelle Themen in einer säkularer werdenden Gesellschaft, die verstärkt über Social-Media-Kanäle kommuniziert würden.
Für Belkin steht fest: "Religion und Politik müssen zusammen gedacht werden, aber nicht in Form von antiquierten Gesprächsformaten der langjährigen Dialogprofis." Die neue Denkfabrik sei eine richtige Adresse dafür.
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.