Predigttext zum Sonntag
Kuschlig soll es sein
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit auf Erden üben wird.
Jeremia 23, Vers 5
Ich laufe durch die Straßen, den Kopf eingezogen, den Kragen hochgekrempelt. Es zieht. Im Augenwinkel nehme ich ein großes Laken war. Es hängt zwischen zwei Fenstern. Neugierig blicke ich nach oben. Ich lese: „Wir trauern um die 30 Millionen Hungertoten 2020. Sie wurden ermordet. (Jean Ziegler, UNO)“
Trauern. Ja. Nicht nur, weil der letzte Sonntag mit seinen Lebensgeschichten noch präsent ist. Ich trauere mit um die Hungertoten, um die Toten im Mittelmeer, in Flüchtlingslagern und an Grenzen. Ich sorge mich um die Menschen, die aufgrund von unfairen Produktions- und Handelswegen und an fehlender Gesundheitsfürsorge leiden. Ich beweine die Tiere, deren Platz auf diesem Kontinent von der Profitgier der Menschen abhängt. Ich beklage mit Ihnen all die Bilder, die Sie jetzt vor Augen haben. Bilder, die die gegenwärtigen Ungerechtigkeiten ausmalen.
Und ich suche nach Trost, nach Hoffnung, habe Erwartungen. Mit dem Finger auf andere zeigen ist nicht meine Sache. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Aber es muss doch was getan werden! Aufrufen zu Recht und Gerechtigkeit zum Beispiel. Und sogleich mehr denn je danach handeln.
Aber jetzt ist 1. Advent. Kuschlig soll’s sein. Heißer Tee, Lebkuchen, die Pyramide im Lichterschein, die erste Kerze am Adventskranz brennt. Ich richte mich wieder ein: Der Kragen hochgekrempelt. Der Kopf eingezogen. Wo ist meine Hoffnung?
Jetzt kommt Jeremia um die Ecke. „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will …“ Alles schon dagewesen. Bis hin zur Aussicht, dass ein Erweckter kommt, der wohl regiert. Nach christlicher Lesart ist Einer gekommen. Dieser Eine zeigte, was es heißt, in guter Weise mit Gott zu sein: der Gemeinschaft dienen, soziale Beziehungen eingehen. Gerecht, barmherzig. Die Könige allein vermögen es nicht. Die Kragen umgeschlagen, die Köpfe gereckt, die Herzen weit – als Mitherrscher in seinem Reich und zu Priestern für seinen Gott und Vater (Johannes 1, Vers 6). So freue ich mich auf die zweite Kerze.
Steffen Schulz, Pfarrer im Ehrenamt, Wolfen
Autor:Online-Redaktion |
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