Wort zur Woche
Manchmal muss Liebe laut sein
Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.
1. Johannes 4, Vers 21
Einmal am Tag Essen. Dafür muss sie stundenlang anstehen. Und manchmal geht sie leer aus, dann hat es nicht gereicht. Zu wenige Toiletten. Zu wenig Wasser. Zu wenige Zelte. Sie schlafen auf Steinen.
Samira hat Angst, vor allem hat sie Angst um ihre Kinder. Ihr kleiner Sohn ist wund vom Dreck im Lager. Ihre Tochter starrt seit Tagen mit leeren Augen auf den Boden. Sie hat zu viel gesehen, zu viel erlebt. Das erträgt eine neunjährige Kinderseele nicht.
Samira kämpft. Jeden Tag schleppt sie sich zur Essenschlange. Sie tut es für die Kinder. Sie will es schaffen, die Kinder sollen es besser haben. Jeden Abend singt sie ihnen mit letzter Kraft das vertraute Abendlied aus ihrer Heimat. Und sie weint erst, wenn die Kinder schlafen.
Vor zwei Jahren kam sie hierher, nach Moria. Sie waren mit so vielen Hoffnungen aufgebrochen. Froh, den Bomben über Aleppo entkommen zu sein. Ihr Mann kam in dem Chaos am Meer auf ein anderes Boot, er ist verschollen. Sie hat sich geschworen, dass sie die Kinder durchbringt, sie ist stark.
Samira weiß nicht, wer die Menschen sind, die jenseits der Stacheldrahtmauern leben. Sie kennt die Bewohner des nahen und fernen Europas nicht. Samira betet, sie fleht zu Gott, den sie Allah nennt, um Hilfe. Samira vertraut. Einmal muss doch Hilfe kommen! Wo sind die Menschen in Europa, die ihr helfen könnten?
Manchmal muss Liebe laut sein. Sie muss in den Ohren der Verantwortlichen liegen und keine Ruhe geben. Sie muss Briefe an Abgeordnete schreiben und Transparente auf die Straße tragen. Sie muss Regierungen in die Pflicht nehmen und hartnäckig bleiben. Lieben heißt: Hinsehen. Mitfühlen. Handeln. Liebe legt nicht die Hände in den Schoß und wartet ab. Wir haben das Gebot. Und wir haben die unzähligen entkräfteten Schwestern und Brüder in ihrer namenlosen Not vor unserer europäischen Haustür. Jetzt liegt es an uns zu zeigen, dass wir Gottes Kinder sind – und zu lieben und zu handeln. Um Gottes Willen.
Friederike Hempel, Gemeindepädagogin, Erfurt
Autor:Online-Redaktion |
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