Ostern zu Hause
Predigtimpuls für Karfreitag
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Kor 5, 17)
Liebe Gemeinde,
Karfreitag ist das kleine Ostern. Denn auch der Karfreitag hat die Welt verändert. Neues ist geworden. Das schärft uns in diesem Jahr der Predigttext ein. In diesem Jahr stehen wir nicht unter dem Kreuz. In diesem Jahr sehen wir nicht den tropfenden Schwamm und die Nägel im Fleisch. In diesem Jahr sehen wir, was sich geändert hat.
Nachdem die Nacht des Schmerzes vorüber war, lag Tau auf den Gräsern, und mit dem Morgen begann der Tag neu. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur.
Wie konnte das passieren? Der Predigttext (2. Kor 5, 14-21) behauptet, Gott habe die Welt mit sich versöhnt. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst. (2. Kor 5, 19)
Das ist der Kernsatz dieses Karfreitags 2020. Mit anderen Worten: In der Nacht des Schmerzes hat die Liebe überlebt. Unsere Beziehung zu ihm ließ Gott nicht sterben. Sie wurde von ihm selbst erneuert.
Ostern liegt nicht zufällig im Frühling. Die erwachende Natur ist das Sinnbild des Neuwerdens. Aber das besondere Neuwerden dieses Karfreitags entsteht in einer Beziehung. Sünde ist ja das Wort für die Zerstörung der Beziehung zu Gott. Und wenn Gott das Wort der Versöhnung - wie ein Kreuz - unter uns aufrichtet, repariert er eine Beziehung.
Es ist schwer genug, sich mit jemandem zu versöhnen, der einen wirklich verletzt hat. Die große Liebe verwandelt sich nur zu schnell in blanken Hass. Die Sehnsucht, den Geliebten zu sehen, verwandelt sich in die Furcht, dass er plötzlich um die Ecke kommt. Das Gespräch scheitert. Nicht nur das Versöhnungsgespräch scheitert, jedes.
Im Moment hören und lesen wir lauter Hoffnungsgeschichten. Die Corona-Krise macht die Menschen freundlich und hilfsbereit. Sie kaufen ein für die alte Frau nebenan und kündigen ihr Abonnement im Fitnessstudio nicht, um einen kleinen Laden am Leben zu halten.
Was nicht erzählt wird, ist die schreckliche Einsamkeit der Menschen, die als Single leben oder in Pflegeheimen. Keine Sendung dokumentiert die Konflikte, die entstehen, wenn Kinder durch die fehlende Zeit in der Schule ihre Struktur verlieren. Niemand sieht den Streit um die digitalen Endgeräte und die überforderten Eltern, die ihre Kinder beschulen müssen und es nicht gut hinbekommen. Auch die Krisen in den Partnerschaften, die schon seit lange anstehen, brechen jetzt aus. Wenn die Ablenkung ausbleibt, spitzen sich Konflikte zu. Sie werden - noch - nicht erzählt.
Wir Menschen scheinen Schwierigkeiten zu haben, gut miteinander auszukommen. Wir verletzen uns gegenseitig. Das gehört zu der Art, wie wir gebaut sind. In meinem Glaubenskurs sagen Teilnehmerinnen, man könne auch einander vergeben, ohne sich mit dem anderen Menschen zu versöhnen. Das scheint ein Trend zu sein. Wir lassen Beziehungen als Ruinen hinter uns und ziehen weiter wie Mietnomaden, die eine neue Wohnung suchen. Statt zu reparieren, versuchen wir zu vergeben, um die eigene psychische Belastung loszuwerden. Wir lassen nicht nur die großen Liebe zurück, sondern auch die Eltern, die eigenen Kinder.
Gott repariert unsere Beziehung zu ihm. Es ist ein Geheimnis, wie er das macht und wie es wirkt. Wir stehen in den Ruinen unseres Lebens und hören, dass die Liebe überlebt. Auch in der Nacht des Schmerzes ist Gott nur ein Wort weit entfernt.
So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! (2. Kor 5, 20)
Was jetzt kommt, ist eine dieser schrecklichen Wahrheiten. Beziehungen lassen sich nur auf freiwilliger Basis verändern. Sie werden Ihren Geliebten, Ihre Kinder, die Menschen, um die es Ihnen geht, nicht zwingen können, sich mit Ihnen zu versöhnen. Auch wenn Sie Argumente auftürmen oder raffinierten - oder offenen - Druck aufbauen, werden Sie keinen Erfolg haben. Sie ändern vielleicht vorübergehend das Verhalten des Gegenübers, nicht aber die Beziehung zu ihm. Diese Wahrheit ist schrecklich, weil wir oft zusehen müssen, dass die Menschen, die wir lieben, falsche Wege gehen. Wenn wir den Druck auf sie erhöhen, zerspringt die Beziehung. Wenn wir sie laufen lassen, verirren sie sich. Unser Einfluss aufeinander ist begrenzt. So sind wir gebaut.
Dieses Prinzip der Freiwilligkeit, schärft uns der Apostel Paulus ein, gilt auch für Gott. Wir können nur eins: Bitten. Er schreibt: So bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! (2. Kor 5, 20)
Wir bitten an Christi statt. Wir tun, was Christus tut. Er bittet. Die Erlösung der Welt hängt an einer Bitte. Gottes Versöhnung der Welt mit sich ist keine magische Krafttat, sondern mündet in eine Bitte. Nun ist es doch ein Text, der zum Karfreitag passt. So fragil, so verletzlich kommt der Schöpfer auf uns zu.
„Es werde“, rief er einst und: „Es werde Licht!“ Und es ward so. Die große Macht zu Anfang. Seine Welten schöpfende Macht. Und bei der Vollendung der Schöpfung - jetzt - die vollkommene Ohnmacht eines Menschen am Kreuz. In aussichtloser Situation nichts anderes als eine Bitte. Ein verzweifelter Liebender, der seine Geliebte verfolgt. Ein Stalker, wie man heute sagt. Und die Menschen fliehen vor Gott und wenn sie könnten, riefen sie die Eins Eins Null an.
Und wir können nichts anderes tun. Uns stehen keine Machtgesten zu. Die Trickkiste bleibt geschlossen. Wir sind Bittende an Christi statt.
-In die Ohnmacht gehen, ohne den anderen zu erpressen.
-In die Ohnmacht gehen und sich verletzlich machen.
-In die Ohnmacht gehen, und bitten an Christi statt.
Dem anderen die Souveränität geben. Er kann zuschlagen oder das Angebot annehmen. So versöhnt Gott. Es ist ein Geheimnis, wie er das macht und wie es wirkt. Aber das ist die Botschaft heute am Karfreitag: Die Liebe hat am Kreuz überlebt, und wir können hoffen, dass sie weiterlebt, denn wer sie kennt, nimmt die Bitte Gottes an und lässt sich versöhnen.
Amen.
Und der Friede Gottes, der unsere Vernunft übersteigt, behalte eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. - Amen.
Frank Hiddemann, Pfarrer in Gera
Autor:Online-Redaktion |
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