Schutzheiliger der Ökumene
Hans Küng war ein Universalgelehrter: Mehr als ein halbes Jahrhundert lang warb der Schweizer für ein zeitgemäßes Christentum. Ohne ihn wäre die moderne Ökumene noch lange nicht so weit.
Von Stephan Cezanne
Er war der moderne Schutzheilige der Ökumene: Nur wenige haben so viel zur Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten beigetragen wie der Theologe Hans Küng. Und kaum jemand erklärte so verständlich die Grundgedanken von Christentum, Islam, Judentum oder Buddhismus.
Küng zählte zu den großen religiösen Orientierungsfiguren der Gegenwart. In der vergangenen Woche verstarb der Beststeller-Autor und Reformkatholik im Alter von 93 Jahren in Tübingen.
Früh entschied sich der hochbegabte älteste Sohn eines Schuhhändlers im Schweizer Kanton Luzern für den Priesterberuf. Am Collegium Germanicum in Rom unterwirft sich der spätere «fromme Rebell» einer strengen Eliteausbildung und macht früh auf sich aufmerksam. Als junger Tübinger Professor, der in seiner aktiven Zeit eher wie ein Skilehrer wirkte, wird er zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965 berufen. Ende 1979 hatte ihm Rom jedoch wegen seiner kritischen Sicht auf die Kirche die katholische Lehrerlaubnis entzogen. Doch dies hinterließ keine Schatten auf einer der brillantesten akademischen Karrieren des 20. Jahrhunderts. Im Gegenteil: Gerade mit seinem Ruf als «Ketzer» eroberte er sich ein Millionenpublikum, obwohl ihm die Rolle des Papstkritikers «keineswegs angenehm» war, wie er einmal sagte.
Vor allem in seinen Büchern – die Gesamtausgabe ist auf 24 Bände angelegt – gab er seine Antworten auf das, worauf es im Leben ankommt. Küng war dabei auch immer politisch: Die stärker gewordene Rolle der Religion verlange mit Blick auf die Konflikte auf der Welt nach seriöser Information. «Nur dadurch lässt sich die ständig drohende Instrumentalisierung der Religion für politische, ökonomische, ethnische und nationale Interessen vermeiden», schrieb Küng 2017. Zeitlebens mahnte er Politik, Kirche und Wissenschaft zu einem umfassenden Bewusstseinswandel. Modelle für ein friedliches 21. Jahrhundert suchte seine Stiftung «Weltethos». In diesem Rahmen predigte er seit den 1980er-Jahren unermüdlich seine einfache Formel: Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog.
Als ihm unter Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis «missio canonica» entzogen wurde – Küng hatte die Frage nach der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes gestellt –, wurde er freilich nicht arbeitslos: Bis zur Emeritierung 1996 lehrte der polyglotte Küng ökumenische Theologie und leitete das Tübinger Ökumene-Institut. Sein Lehrstuhl für christliche Theologie war – ein Novum in der deutschen Universitätsgeschichte – rechtlich keiner Kirche zugeordnet.
Der Entzug der Lehrerlaubnis förderte seine Bekanntheit außerhalb der Kirchen enorm. Je mehr Johannes Paul II. und Benedikt XVI. seine Impulse blockierten, desto mehr wurde Küng zur geheimen Leitfigur an der Basis reformorientierter Katholiken, bilanzierte einmal die Reformbewegung «Wir sind Kirche». Die Schriften von Küng «veranschaulichen die neue Lebendigkeit» der katholischen Theologie seit den 1960er-Jahren, so der Kirchenhistoriker Alister E. McGrath. Küng betonte immer wieder sein eigenes «Katholischsein». Zum Stand der Ökumene bilanzierte er nüchtern: «Die meisten Katholiken und Protestanten kümmern sich schon gar nicht mehr um die Spaltung. Sie leben die Ökumene ganz selbstverständlich und unbekümmert um römische Dekrete in Dogma und Moral an der Basis.»
Der in seinen späten Jahren an Parkinson und einem schweren Augenleiden erkrankte Küng hatte vor einigen Jahren mit der Ankündigung Aufsehen erregt, für sich möglicherweise aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Für ihn komme das in Betracht, «wenn ich irgendwelche Zeichen von Demenz spüre», erläuterte er in dem Buch «Glücklich sterben?» von 2014. In einem Interview mit der Talkshow-Moderatorin Anne Will sagte Küng 2013: «Ich habe alle Bücher geschrieben, die ich schreiben wollte, habe alle Reisen gemacht, die ich machen wollte. Also ich bin in diesem Sinne ein glücklicher Mensch, relativ glücklich, und kann sagen: Mein Werk hat sich in etwa gerundet und vollendet.»
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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