Wort zur Woche
So geht Leben – Annerose ist der Beweis
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11, Vers 28
Annerose. Ich kenne sie seit fast dreißig Jahren. Nein, das ist keine erfundene Geschichte. Und ja, ich habe gefragt, ob ich sie erzählen darf.
Anneroses Eltern waren geflüchtet. Gläubige Menschen. Sie kamen in unsere Stadt und waren bald mitten in der Gemeinde. Glocken läuten, den eisernen Ofen in der Kirche heizen, Christbäume schmücken … Kirchendienst. Die kleine Annerose immer mit dabei.
Eines Tages: Anneroses Konfirmation. Die Mutter sucht ihr den Spruch heraus: »Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.« Das steht auch bei uns am Altar, gleich über dem Tisch, schön golden gemalt. Und wenn ich mit Annerose Abendmahl austeile, dann sehen wir das und wissen: Ja. So ist es.
Annerose wurde groß. Sie hat jemanden geheiratet, ist mit ihm überall hingegangen, hat alles mitgemacht: Orgel spielen, Christenlehre halten, in Kirchenämtern hat sie gearbeitet, ist in die Städte und Dörfer gegangen, um Kirchensteuern einzusammeln, wie das zu DDR-Zeiten so war. Ihr Mann fing an zu trinken. Das war schlimm. Aber sie haben es geschafft. Er war wieder »trocken«.
Da zogen sie zurück in Anneroses Heimat. Alles gut. Aber dann bekam ihr Mann Krebs. Bald ist er gestorben. Das war vor 29 Jahren.
Und Annerose? Sie lebt weiter, fährt leidenschaftlich gern Auto. Und schnell. Wenn wir mal hintereinander herfahren zum nächsten Gottesdienst, dann ist sie immer schneller als ich. Längst hat sie erwachsene Enkel. Und ganz süße Urenkelinnen und einen Urenkel.
Sonntags stehen wir wieder zusammen am Altar. Wir teilen Brot und Wein aus. »Christi Leib für dich gegeben – Christi Blut für dich vergossen«. Hinter uns steht golden der Spruch: »Kommt her zu mir …«. Wir sagen den Segen, wenn die Leute zurück auf ihre Plätze gehen.
Ich schaue zu Annerose. Ich denke an ihr Leben. Und spüre ihren Glauben. Und ich denke: Ja. So ist das. So geht Leben. Annerose ist der Beweis.
Pfarrer Michael Greßler, Camburg
Autor:Online-Redaktion |
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