Wort zur Woche
Von äußerem Anschein und inneren Werten
Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1, Vers 14 b
Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich: Was ist denn das für einer? Er kam in schlabbrigen Hosen, schief getretenen Schuhen, einem ausgebeulten Pullover. Andere sahen meinen skeptischen Blick und sagten: Warte ab, bis du ihn kennen lernst. Es hat eine Zeit gedauert, aber ich konnte ihn später schätzen und anders sehen. Er konnte offen auf Menschen zugehen, steckte sie an mit seiner Freude und seinem Gottvertrauen. Mürrischen Menschen konnte er ein Lächeln entlocken, verzagten Hoffnung geben. Er lebte seinen Glauben einladend und authentisch. Viele haben bei ihm Rat gesucht und Trost bekommen. Der erste Eindruck ist nicht immer der beste, und schon gar nicht der allein richtige.
Was mögen die Zeitgenossen Jesu in ihm gesehen haben? – Ein Kind einfacher Leute aus einem kleinen Ort. Einen Wanderprediger ohne festes Zuhause, der 12 Mitläufer mitbrachte. Er legte sich mit der Elite an, schaffte es aber, dass eine Ehebrecherin nicht gesteinigt wurde. Er schätzte einen Zollbeamten, der gern in die eigene Tasche wirtschaftete, höher als einen frommen Pharisäer, der sich ehrlich mühte, gut und gottesfürchtig zu leben. Er kümmerte sich um Aussätzige und Blinde, ergriff Partei für eine arme Witwe und heilte gegen alle Regeln kranke Menschen am Sabbat. In seinen Reden pries er die selig, die man sonst gern am Rande der Gesellschaft hatte. Schluss-endlich wurde er gekreuzigt: Todesstrafe für einen Schwerverbrecher. Das muss er wohl verdient haben. Was haben die Zeitzeugen in Jesus gesehen? Einen gescheiterten Menschen mit übersteigertem Selbstbewusstsein und rücksichtsloser Ehrlichkeit?
Wir sahen seine Herrlichkeit, sagt Johannes, der Evangelist. Gottes Herrlichkeit kommt nicht in Samt und Seide daher. Sie erweist sich am Umgang mit den Menschen. Sie lindert Not, sie nimmt ernst, sie schaut freundlich, sie heilt Verletzungen, sie strahlt Gottes Liebe aus. Und weil Jesus sich vorgestellt hat als Gottes Sohn, sehen wir in ihm, wie Gott ist. Einfach herrlich!
Christine Reizig, Landespfarrerin für Gemeindeaufbau der Ev. Landeskirche Anhalts, Dessau-Roßlau
Autor:Online-Redaktion |
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