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Wort zur Woche
Von der Gnade der Verdrängung

Peter Herrfurth | Foto: Peter Herrfurth


Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.
2. Korinther 5, Vers 10a


Wofür werde ich mich wohl einmal zu verantworten haben?

Von Peter Herrfurth

Für manche Lieblosigkeit. Für die ein oder andere Vorteilsnahme, für meinen Lebensstil, meine Unachtsamkeit anderen gegenüber. Für manches, was ich getan und mehr, was ich gelassen habe. Für das böse Wort, das Schweigen, das Zugucken, das Wegsehen. Für das Nehmen, das fehlende Geben.

Hoppla, mein Konto der Verfehlungen ist reich gefüllt. Und das, obwohl ich doch längst weiß, dass der Offenbarungseid am Ende meiner Zeit geleistet werden will. Aber ich bin gut im Verdrängen: Der Krieg ist weit genug weg. Gegen den Anblick der hungernden Kinder hilft mir meine Spendenbescheinigung von Brot für die Welt. Der Klimakatastrophe entgehe ich hoffentlich irgendwann aus Altersgründen. Ein Gläschen Rotwein sei doch gesund – heißt es. Und über die anderen denke ich nicht nach. Für meinen Lebenswandel gibt’s außerdem gute Ärztinnen und kluge Apotheker. Mein ökologischer Fußabdruck ist groß, aber es gibt größere.

Ich könnte nicht leben ohne die Gnade der Verdrängung. Aber alle Jahre wieder kommen zum Kirchenjahresende die kleinen Hinweise in Form von Wochenspruch oder Feiertagen: Du kannst dich nicht verstecken! Vielleicht vor deinem Gewissen und deinen Mitmenschen, nicht aber vor Gott. Der sieht dich. Zum Glück weiß ich, dass sein Sehen mir so manche persönlichen Vorteile bietet. Er ist eben nicht mein knallharter Controller, sondern Gott ist meine Ewiges-Leben-Versicherung. Es gibt immer eine Chance, trotz meines belasteten Privatkontos. Und wenn ich Jahr für Jahr verlässlich daran erinnert werde, dann geht es ja nicht so sehr darum, aus den roten Zahlen meiner diversen Schwächen zu kommen, sondern es geht darum, bewusst Bilanz zu ziehen. Und so etwa sieht dann hoffentlich die Vorladung aus: „Lieber Peter, Du kannst noch die Kurve kriegen, und wenn es die letzte vor deiner Zieleinfahrt ist.“ Ja, ich rechne mit der Vergebung und mit der Liebe Gottes. Daraus lebe ich im Angesicht des Richterstuhles. 

Der Autor ist EKM-Landesjugendpfarrer. 

Autor:

Online-Redaktion

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