Fastenzeit
Wenn die Sonne dreimal durch den Teig scheint
Die Form der Brezel erinnert an verschlungene Arme. Sie war einst Abendmahlsgebäck und später als Fastenspeise in mittelalterlichen Klöstern beliebt. Heute gibt es sie das ganze Jahr über.
Von Christine Süß-Demuth (epd)
Am liebsten mit Butter: Die Brezel ist vor allem in Baden, Schwaben, Bayern, Pfalz und dem Elsass beliebt. Wer genau das geschlungene Gebäck erfunden hat, ist unklar. Aber am bekanntesten ist wohl die Legende vom Hofbäcker Frieder aus Bad Urach aus dem Jahr 1477: Der Bäcker war zum Tode verurteilt, entging aber dem Henker, weil es ihm gelang, ein Brot zu backen, «durch das die Sonne dreimal scheint». Vorbild seien die verschränkten Arme seiner Frau gewesen. Eine ähnliche Erzählung gibt es auch im Elsass, das ebenfalls die Erfindung des Gebäcks für sich beansprucht.
Vielleicht könnte es aber auch schon ein Mönch im Jahr 610 gewesen sein, der durch die zum Gebet gekreuzten Arme seiner Mitbrüder zum Backen einer Brezel inspiriert wurde. Auf jeden Fall stammt das Wort Brezel wohl vom lateinischen Wort «brachium» für Arm ab.
All diese Legenden seien im erzählfreudigen 19. Jahrhundert entstanden und zeigten die Volkstümlichkeit des beliebten Gebäcks, erklärt die Volkskundlerin Irene Krauß aus Bad Säckingen dem Evangelischen Pressedienst (epd): «Um kaum ein anderes Gebildbrot gibt es derart viele Entstehungslegenden wie um die Brezel.»
Tatsächlich reichen ihre Ursprünge noch viel weiter zurück. Im antiken Rom wurde bei kultischen Handlungen ein Ringbrot gereicht. Die frühen Christen übernahmen das Gebäck im 3. Jahrhundert als Abendmahlsbrot, änderten die Form aber schrittweise um.
Über die Öffnung des Rings zu einer Form ähnlich einer Sechs und der Doppel-Sechs sei im Laufe der Zeit die heutige, geschlungene Form entstanden, erläutert Krauß, Autorin von «Das große Buch der Brezel» (Silberburg-Verlag). Dies zeigten zahlreiche religiöse Handschriften.
Die älteste bekannte Darstellung sei im 11. Jahrhundert im Kloster St. Peter in Salzburg entstanden. Zu sehen ist Jesus mit seinen Jüngern am Abendmahlstisch und mit einer Brezel als eucharistischem Gebäck.
Im Mittelalter wurde dann aus dem Abendmahlsgebäck eine klösterliche Fastenspeise, die vor allem in der Zeit vor Ostern gebacken wurde. In der Fastenzeit durften keine tierischen Produkte wie Milch oder Butter verwendet werden. Aus der Fastenbrezel sei später dann die Laugenbrezel entstanden, die vor dem Backen nicht in Wasser, sondern in eine Natronlauge getaucht wird.
Seit dem späten Mittelalter backten die Menschen die Brezel auch außerhalb von Klöstern. An den Münchner Kaufmann Burkhard Wadler erinnert der «Brezenreiter» in der Heiliggeistkirche am Viktualienmarkt: 1318 hatte er versprochen, einmal im Jahr kostenlos 3.000 Brezeln an Arme zu verteilen.
Seit mehr als 700 Jahren ist die Brezel auch das Zunftzeichen der Bäcker. In Freiburg stifteten sie im 14. Jahrhundert dem Münster das sogenannte «Bäckerfenster» mit Brezel und Spitzwecken.
Eine «frühe Form des Verbraucherschutzes» findet sich an der Heidelberger Heiliggeistkirche, wie der Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim, Bernd Kütscher, erklärt. Dort wurden Brezelmaße in den Stein gemeißelt, um im Mittelalter Größen und Mengen auf dem Markt zu regeln: Käufer konnten prüfen, ob die Ware groß genug geraten war.
Gelungen, geschlungen
Was die Zubereitung angeht, hat jeder Bäcker und jede Bäckerin ein eigenes Rezept. Es gibt aber auch regionale Unterschiede. So haben die schwäbischen Brezeln laut Württembergischer Bäckerinnung in der Regel dünnere «Ärmchen» als die bayerischen, einen höheren Fettgehalt und werden am «Bauch» eingeschnitten.
Damit das Teigstück aus Weizenmehl, Wasser, Hefe, Salz und Fett «gelungen, geschlungen» ist, braucht es eine spezielle Wurftechnik beim Schlingen. Dass diese gar nicht so einfach ist, mussten der englische Prinz William und seine Frau Kate feststellen, als sie 2017 bei einem Besuch in Heidelberg Brezeln formten. Dauerhaft als Plastinat konserviert sind diese königlichen Stücke jetzt Teil der Heidelberger Körperwelten-Ausstellung des umstrittenen Mediziners Gunther von Hagens.
Das handwerkliche Brezelbacken sollte immaterielles Unesco-Welterbe werden, wünschte sich Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) im vergangenen Jahr und unterstützte damit einen Vorschlag der Bäckerinnung. Die Brezel als Welterbe, das wäre für ihre Fans natürlich ein Grund zum Feiern. Und vielleicht auch dafür, sich ein bisschen «aufzubrezeln» - also sich besonders schön herzurichten wie eine Brezel.
Autor:Katja Schmidtke |
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