Predigttext
Wenn die Worte fehlen
Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf.Römer 8, Vers 26
Von Michael Nicolaus
Der Wert eines Menschen darf nicht zuerst durch seine Leistung oder Leistungsfähigkeit bestimmt werden.“ Mit diesem Anspruch berufen wir uns auf unsern Gott. Er scheint eine besondere Schwäche für die Schwachen zu haben.
Unser Predigtwort beginnt mit einem großartigen Satz, einem Hoffnungsträger: „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf.“ Damit wird mir zugesprochen: Wer Erfahrungen mit Gott machen will, macht sie dort, wo es nicht mehr weitergeht: an toten Punkten, in Sackgassen, Krisen. Gott ist solidarisch. Er stellt sich mit mir ins Dunkel. Er hilft.
Ich höre aus diesem Hoffnungssatz: Lass dich nicht belügen, dass du immer stark sein musst; lass dich nicht blenden und verführen, deine Schwachheit zu verbergen – sondern tritt damit ans Licht, vor Gott, und erlebe Hilfe. Das beziehe ich auch auf unsere Kirche, nicht nur auf meine persönliche Schwachheit, die da ist: Gottes Willen klar zu erkennen oder gar dauerhaft zu tun.
Von Paulus dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass er beten konnte. Und doch scheut er sich nicht einzugestehen: Andere mögen meinen, dass ich beten könnte. Aber wenn ich auf Gott blicke, bin ich mit meinem Latein am Ende. Seufzend schreibt er: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt.“ Auch dieses Erleben teilen wir mit ihm. Paulus spricht eine persönliche Erfahrung aus: Glaube und Beten sind zerbrechlich, zerbrochen und verstummt am Schmerz. Auch dem im Gebet Geübten kann der Atem stocken.
Wer aufmerksam und mit einem liebenden Herzen in dieser Welt lebt, weiß jetzt ein oder zehn Beispiele, wo Worte ersticken und versickern. Da ist nur Weinen, Schreien, Verstummen. Und da gibt es eine Kraft, die im Raum Kirche ist. Diese Kraft heißt: „Es darf sein.“ Ja, Schwachheit darf sein. Ratlosigkeit darf sein. Trauer darf sein. Der Mensch darf Mensch sein. Zugleich schwingt in diesem „nicht weiter wissen“ eine ungebrochene Hoffnung mit: Gott sorgt! „Der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.“
Es mag sein, wir wissen nicht, wie wir beten sollen. Aber wir sollen beten. Die Ratlosigkeit unserer Herzen ist für Gott aber kein Hindernis, uns zu lieben, zu beschenken. Das will ich mir sagen lassen. Das will ich mit dir glauben.
Der Autor ist Pfarrer in Oßling.
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.