Wort zur Woche
Wie soll ich glauben, ohne "Sehen"?
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Johannes 12, Vers 24
Wir möchten Jesus sehen!“ Wie gerne stelle ich mich zu den Griechen mit ihrem Ansinnen, das sie den Schülern des Eselreiters unterbreiten. Jesus sehen! Das wäre doch was in einem Glauben, der manchmal so dünn erscheint, der mit so viel Unsichtbarem aufgeladen ist.
Von Michel Debus
Da wäre es schön, etwas zu sehen, wo von mir doch immer so viel Vertrauen zum Unsichtbaren erwartet wird. Wie soll ich glauben ohne „Sehen“? Ich weiß, das soll die hohe Schule sein: Glauben ohne zu schauen. Mögen andere die hohe Schule besuchen. Ich nicht. Ich will sehen. Ich habe zu lange gedacht, Glaube wäre ein Fürwahrhalten von richtigen oder unbeweisbaren Sätzen. Mögen sich andere weiter damit abmühen. Ich nicht. Ich will sehen. Jesus reagiert auf die Bitte in zweifacher Weise:
1. Wenn ich Jesus sehen soll, dann bitte „verherrlicht“: also Christus! Darauf kann ich mich einlassen. Jesus sehen brauche ich nicht. Ich will Christus sehen, der gelitten hat und auferstanden ist. Ich will den Christus sehen, der mit offenen Augen und segnenden Händen das Kreuz hinter sich und in sich hat. Ich will den Christus sehen, durch den totes Holz wieder lebendig wird, der am Baum lehnt und nicht am toten Pfahl hängt.
2. Dann spricht er vom Weizenkorn, das fallend stirbt, um nicht allein zu sein. Ist Christus darin zu sehen: Überall da, wo einem Same gleich Sterben passiert, damit neues Leben werden kann? Da habe ich ihn gesehen! Dort, wo ich selbst wie ein Weizenkorn fallend sterbe, ohne Netz und doppelten Boden, ohne Absicherung. Dort, wo ich falle, weil nichts mehr hält, wo ich alle Sicherheit loslasse, wo ich mit ihm auch so manche Wünsche, Ziele und Träume begrabe in der dunklen Erde des Scheiterns und des Todes. Dort, wo ich wie er verwandelt neu leben kann und plötzlich ein Leben mit ewiger Qualität geschenkt wird. Da sehe ich ihn auferstehen in mir und in anderen. Christus bleibt darin wie ein Korn nie allein. Es werden viele, die mit ihm im Licht der Ewigkeit leben. In ihnen ist er zu sehen. Zum Glück.
Der Autor ist Pfarrer in Zeulenroda-Triebes.
Autor:Online-Redaktion |
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