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Wort zur Woche
Wo der Graben zum Fundament wird

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Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12, Vers 21


Mein christliches Selbstbewusstsein trägt ja manchmal nicht unwesentlich zu einer gewissen Überheblichkeit bei. Und der in den vergangenen Jahren viel zitierte und meistens sicher auch mutmachend gesprochene Vers von Paulus trägt ebenfalls diesen Keim in sich.

Von Martin Olejnicki

So oft hab ich ihn bei Versammlungen, Andachten und Demonstrationen auf der Straße gesprochen. Irgendwann ist er mir das erste Mal bewusst geworden. Und seitdem zweifle ich in diesen Momenten an meinen eigenen Motiven und meiner Haltung. Der Grundansatz, mit Hilfe von Gutem eine Schwierigkeit zu bewältigen, vielleicht sogar einen Graben zu überwinden, bleibt unbestritten gut und richtig. Allerdings ist in diesem Vers auch dieses „Böse“, das ich ganz schnell dem oder der Anderen zuschreibe, um ihm oder ihr dann mit Freundlichkeit zu begegnen. Es wirkt ein wenig so, als würde ich einen Graben schaufeln, um dann mit der gewonnen Erde das Fundament für eine Brücke des Guten darüber zu haben.

Eigentlich ist mir dieser Vers lieb und teuer, und ich weiß, welche Kraft er in schwierigen Situationen entfalten kann. Und doch liegt in ihm die Gefahr, im Anderen erstmal „das Böse“ zu sehen. Dabei ist da doch für den Umgang mit Menschen die eine wichtige Erkenntnis, dass man Person und Handlung oder Meinung trennen muss, um gut miteinander streiten zu können. Das Gegenüber ist als Geschöpf Gottes mit unantastbarer Würde gesegnet, auch wenn ich seine oder ihre Handlung oder Haltung nur schwer akzeptieren kann. Und an diesem Punkt muss ich als Christ vielleicht auch häufiger den Unterschied machen und mich auf den Beginn des Verses aus dem Römerbrief besinnen: Lass dich nicht vom Bösen überwinden. Das Böse ist aber nicht die Person, die eine Meinung vertritt, sondern ich glaube, das Böse ist eher in der Verweigerung der Diskussionskultur zu suchen, die dann oft direkt persönlich wird, statt auf das Argument einzugehen. Davon möchte ich mich nicht überwinden lassen, sondern sachlich und zugewandt bleiben.

Der Autor ist Pfarrer in Köthen.

Pfarrer Martin Olejnicki | Foto: Uwe Kraus
Autor:

Online-Redaktion

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