Predigttext zum Sonntag
Zu viel Uneindeutiges
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann … Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12, Verse 17 + 21
Lieber Bruder Paulus!
Wenn es doch so einfach wäre! Das Gute als gut und als böse das Böse zu erkennen. In den Märchen, die man sich in unserem Land erzählt, ist das so. Die gute Fee, die böse Fee. Die böse Hexe, die guten Kinder. Am Ende siegt das Gute, indem es das Böse vertreibt.
Ja, wenn es doch so einfach wäre! Aber was ist mit den vielen Grautönen? Mit dem, was zwar gut gemeint ist, aber schlimme Auswirkungen hat? Mit den guten Vorsätzen, die doch irgendwo Schaden bewirken? In unserer komplizierten Welt gibt es fast immer ein Sowohl-als-auch. War das zu deiner Zeit anders? Irgendwie übersichtlicher, eindeutiger? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Du hast ja an die dir damals noch unbekannte Gemeinde in der Weltstadt Rom geschrieben. Du, ein Landei aus der Provinz. Und ich staune heute noch darüber, wie stark du dich vorstellst. Aber warst du in all den komplexen ethischen Fragen deiner Zeit wirklich fit? Eine Reihe hast du ja konkret angesprochen in deinen Briefen; für mich nicht immer überzeugend. Das macht aber nichts. Deinen Grundansatz finde ich großartig: „Stellt euch ganz Gott zur Verfügung! Das soll euer Gottesdienst sein.“
Ich ahne, dass du den Maßstab dafür, was Gott gut und böse nennt, in der Thora gefunden hast, die wir das Erste Testament nennen. Es kann ja kein Zufall sein, dass du in deinen Briefen so oft daraus zitierst. Ich will also mal wieder lesen, wie Joram seinen Feinden Brot und Wasser vorsetzt wie in 2. Könige 6 beschrieben oder wie David den Saul verschont, siehe 1. Samuel 24. Und vor allem will ich mit dir täglich aus den Psalmen beten.
Du hast ja geschrieben: Prüft, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute. Wie soll dieses Prüfen gelingen, wenn nicht im Gebet und im Lesen der Schrift? In mir selbst ist noch so viel Grau. So viel Uneindeutiges. Das kennst du ja. Hättest du sonst geschrieben: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“? Dabei aber muss es nicht bleiben. Darüber kommst du richtig ins Jubeln. Und ich kann einstimmen in den Lobpreis dessen, der uns beten lehrt: Erlöse uns von dem Bösen!
In diesem Sinne, Ulrich
Autor:Online-Redaktion |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.