Ökumenische Telefonseelsorge Erfurt
8000 ganz persönliche Hilferufe
Ein Gespräch in ihren Räumen – nein, das sei keine so gute Idee. Die erste Rückmeldung Sandra Frickes auf die Gesprächsanfrage war wenig aussichtsreich.
Von Paul-Philipp Braun
Doch Fricke ist kein Mensch, der etwas absagt, ohne eine Alternative anzubieten, und so fand das Interview zu ihrem Tätigkeitsbereich und dem, was alles dahintersteckt, außerhalb des eigenen Büros statt. Ein Kompromiss, der gern eingegangen werden konnte und noch stärker zeigt, in welchem sensiblen Feld Sandra Fricke und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter aktiv sind, denn Seelsorge ist etwas Höchstpersönliches – auch am Telefon.
Seit diesem Sommer leitet die 43-jährige Erfurterin die ökumenische Telefonseelsorge Erfurt. Eine Einrichtung, die schon seit 1992 in der Thüringer Landeshauptstadt besteht und bei der damals im Schnitt zwei Anrufe pro Tag eingingen. Heute, 32 Jahre später, hat sich die Zahl der Anfragen an die Telefonseelsorge vervielfacht. Allein 2023 waren es gut 8000 Anrufe, die über die zentrale Hotline eingingen. "Das sind vor allem Menschen, die einsam sind und reden möchten", fasst Sandra Fricke zusammen. Neben diesen seien es aber auch viele Anrufer, die in persönlichen Krisen steckten, von Krankheiten betroffen seien oder bei denen es im häuslichen Umfeld zu Auseinandersetzungen und bisweilen auch zu Gewalt komme, berichtet die Leiterin der Telefonseelsorge.
Doch nicht nur die Zahl der Hilfesuchenden sei in den vergangenen Jahren gewachsen, auch das Angebot der Seelsorge habe sich verändert. War es 1992 noch ein einfaches Telefon, das Kommunikationsmittel war, so ist die Seelsorge heute auch über Chats erreichbar. Ein Angebot, das vor allem von jüngeren Generationen gern genutzt werde, wenngleich die Nachfrage derzeit dafür noch zurückhaltend sei, berichtet Fricke.
Rund 60 Ehrenamtliche engagieren sich bei der Ökumenischen Telefonseelsorge in Erfurt. In Schichten nehmen sie Anrufe entgegen, sprechen Menschen Mut zu oder sind "einfach nur da, wenn jemand seine Sorgen teilen möchte", erläutert Sandra Fricke. Eine interne Statistik der Seelsorge ergebe, so die Geschäftsführerin weiter, dass es vor allem körperliche Beschwerden und Erkrankungen, aber auch depressive Stimmungen oder eben Einsamkeit und Isolation seien, die Menschen die kostenlose Nummer der Einrichtung wählen lassen. "Unser Team versucht dann, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen, so gut es geht, zu helfen. Immer vor dem Hintergrund der absoluten Anonymität", so Sandra Fricke.
Finanziert wird die Ökumenische Telefonseelsorge aus Spenden, das Team selbst arbeitet ehrenamtlich. In der neuen Legislaturperiode des Thüringer Landtags werden die Kollekten von Andachten und Gottesdiensten der Abgeordneten dafür eingesetzt. Grundvoraussetzung für das Mitmachen sei, so Fricke, die Bereitschaft, mit Anrufern bei Wunsch ein Gebet zu sprechen. "Das ist auch schon alles, was wir hinsichtlich der persönlichen Religiosität unserer Ehrenamtlichen erwarten."
Die Telefonseelsorge erreichen Sie unter der Nummer: (0 800) 111 0 111 oder (0 800) 111 0 22.
Autor:Online-Redaktion |
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