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Erfurt
Augustinerpfarrer: "Die Kirche wird nicht zur Musikhalle"

Mit einem Besucherrekord ist die Lichtkunst in der Evangelischen Augustinerkirche in Erfurt zu Ende gegangen. In den vergangenen 36 Tagen besuchten über 17.000 Menschen die Installation. Dabei wurden überlebensgroße Figuren aus der Weihnachtsgeschichte der Bibel in leuchtenden Farben an die Kirchenwände projiziert. Das Berliner Künstler-Duo „Kopffarben“ gestaltete die Aktion.  | Foto: Ev. Augustinerkloster Erfurt
  • Mit einem Besucherrekord ist die Lichtkunst in der Evangelischen Augustinerkirche in Erfurt zu Ende gegangen. In den vergangenen 36 Tagen besuchten über 17.000 Menschen die Installation. Dabei wurden überlebensgroße Figuren aus der Weihnachtsgeschichte der Bibel in leuchtenden Farben an die Kirchenwände projiziert. Das Berliner Künstler-Duo „Kopffarben“ gestaltete die Aktion.
  • Foto: Ev. Augustinerkloster Erfurt
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Im vergangenen Jahr berichtete G+H über die Umgestaltung der Erfurter Augustinerkirche. Einiges in den Leserbriefen und Beiträgen sei "in Schieflage" geraten, meint Bernd S. Prigge und betont: "Die Kirche wird nicht zur Musikhalle." Warum den Plänen keine „Geschichtsvergessenheit“ vorgeworfen werden könne, erklärt der Erfurter Augustinerpfarrer im folgenden Beitrag.

Was ist das Besondere?
Die Augustinerkirche ist ein anerkanntes Kulturdenkmal und ein offizieller Ort der Demokratiegeschichte. Sechs Jahre war Martin Luther hier Mönch. Das Augustiner-Eremitenkloster gilt als „Wiege der Reformation“. Der König von Preußen rief 1850 in der Augustinerkirche ein Parlament zusammen, das die politische Einheit Deutschlands herbeiführen sollte. Während der Friedlichen Revolution bot die Kirche Raum für oppositionelle Gruppen. Täglich besuchen mehrere hundert Menschen die Kirche, viele kommen aus dem Ausland. Täglich finden mittags und abends Stundengebete statt. Zum Sonntagsgottesdienst kommen Menschen aus aller Welt. Die Landeskirche, die Diakonie oder Schulen feiern hier ihre Gottesdienste. Sie ist eine der meistgenutzten Kirchen Mitteldeutschlands. Zudem ist hier der größte Chor Thüringens zu Hause: die Augustinerkantorei mit über 130 Sängern.

Warum die Umgestaltung?
Viele empfinden die Kirche als dunkel und wenig einladend. Die Kirche ist im Winter sehr kalt und zugig sowie für die Chorarbeit nur mit großem Umbauaufwand nutzbar. Die letzte Umgestaltung fand in den 1930er-Jahren statt. Aus einer neogotischen Kirche wurde ein schlichter Innenraum. Der Architekt wollte den Geist eines ehemaligen Bettelordens aufnehmen. Das soll erhalten bleiben, nur soll es heller und freundlicher werden. Eine neue Empore im nördlichen Seitenschiff soll an das Erfurter Unionsparlament erinnern und eine Symmetrie zur Südempore herstellen. Dezente Bildschirme unter der Galerie geben die Geschichte des Ortes wieder. Im Westteil wird ein mobiles Podest eingebaut, das erlaubt, der Augustinerkantorei gute Auftrittsmöglichkeiten zu geben. Die Decke soll aufgehellt, die Beleuchtung erneuert und das feste Gestühl durch Bänke und Stühle ersetzt werden, die flexibel einsetzbar sind.

Wer hat das entschieden?
Es gab im Jahr 2020 Vorbesprechungen mit Menschen, die sich dem Augustinerkloster zugehörig fühlen, Vertretern der Stadt und des Denkmalamtes, mit Menschen aus der Tourismusbranche, Historikern, Kirchenmusikerinnen und Bau- sowie Heizungsfachleuten. Die Erkenntnisse und Wünsche wurden in einem Auslobungstext zusammengetragen. An dem anschließenden Architekturwettbewerb nahmen 18 Büros teil. Die Jury bestand aus etwa 20 Experten. Das Büro Schoener und Panzer aus Leipzig konnte mit seinem Entwurf überzeugen.

Was soll die Umgestaltung kosten?
Die Umgestaltung soll etwa fünf Millionen Euro kosten, wobei rund zehn Prozent für Unvorhersehbares einkalkuliert wurden. Allein das Heizungssystem mit modernster Technik und mit Wärmepumpen schlägt mit 1,9 Millionen Euro zu Buche. Für dieses nationale Denkmal erhoffen wir uns öffentliche Mittel und Spenden von Menschen und Stiftungen. Im Jahr 2027 feiert das Augustinerkloster sein 750-jähriges Bestehen. Ein würdiges Datum, um die Umgestaltung bis dahin abzuschließen.

Was sagt die Denkmalpflege?
Die Denkmalpflege möchte den vor dem Zweiten Weltkrieg hergestellten Raumzustand bewahren. Doch religiöse Belange sind zu berücksichtigen. Wesentliche Teile der damaligen Gestaltung durch den Architekten Theo Kellner werden erhalten: das Puristische, das Deckengewölbe, die Kanzel, der erhöhte Chorraum, die Orgelverkleidung. Anderes wird sich verändern: der behindertengerechte Aufgang in den Chor, eine neue Empore wie zu Zeiten des Erfurter Unionsparlamentes (1850), ein Chorpodest. In der Kirche soll Geschichte lebendig gehalten werden, sie soll zum Gebet rufen, Menschen ansprechen und gute Bedingungen schaffen, um heute vom Glauben zu erzählen.

Wie sah es zu Luthers Zeit aus?
Es gab viele Seitenaltäre für zahlreiche Anlässe und Heilige. Es fehlten die Bänke im Hauptschiff. Die Menschen standen damals im Gottesdienst. Die jetzige Kanzel gab es nicht. Der Chorraum war durch einen Lettner (Schranke zwischen geistlichem und weltlichem Teil) von den Laienbrüdern abgetrennt. Es gab wohl noch weitere mittelalterliche Farbglasfenster.

Autor:

Online-Redaktion

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