Nachwuchsproblem in Heimatstuben
Beginnt Jugend bei 55 plus?
Im Holzhäuser Otto-Knöpfer-Museum ist der Generationswechsel geglückt. Jahrelang hatte der Vorstand nach Nachfolgern gesucht, die die Leitung des Hauses übernehmen wollten.
Von Matthias Thüssing
Mehr als zwei Jahrzehnte hatten die Knöpfer-Freunde das Andenken an den regional bekannten Maler (1911–1993) des Drei-Gleichen-Gebietes südlich von Erfurt hochgehalten, sein Geburtshaus in dem Ort bei Arnstadt zum Museum verwandelt, Ausstellungen organisiert. Dann ließen die Kräfte nach. Die Schließung war für Ende 2021 bereits angekündigt.
Dann fand sich Carola Busse. Sie führt inzwischen den deutlich verjüngten Vorstand an. Als eine der ersten Amtshandlungen holte sie ein vor 15 Jahren in der PDS-Kreisleitung Eisenach verschollenes Karl-Marx-Porträt des Malers ins Haus und integrierte es in die Sammlung. „Eine typische Geschichte“, sagt Juliane Stückrad von der Volkskundlichen Beratungsstelle in Hohenfelden im Weimarer Land. „Viele der rund 600 Heimatmuseen in Thüringen stehen vor schwierigen Generationswechseln. Oft engagierten sich seit 30 Jahren immer dieselben Personen in den Trägervereinen. Nun findet sich kein Nachwuchs.“
In ihrer Beratertätigkeit erlebe sie oft, dass die ältere Generation zwar die Häuser abgeben wolle, aber nicht wisse wie – oder sich gegen Veränderungen sperre. „Ich rate dann, die Jugend auch einfach mal machen zu lassen“, sagt Stückrad.
Lars Lichtenberg, Leiter des vom Kreis Stade getragenen Freilichtmuseums „Natureum Niederelbe“ in Niedersachsen widerspricht: „Es bringt wenig, auf die ganz Jungen zu setzen.“ Lichtenberg ist gut vernetzt in der niedersächsischen Heimatmuseen-Szene. Die Probleme in den alten Ländern seien dieselben. Und das schon seit Jahrzehnten. „Unsere Jugendgruppen in den Vereinen beginnen bei 55 plus“, sagt er. Vielleicht gelinge es sogar, einzelne Jugendliche für die Mitarbeit zu begeistern. Doch dann zögen sie für die Ausbildung hinaus in die Welt, gründeten Familien und schieden aus den Vereinen wieder aus. Besser sei es, die Älteren anzusprechen. Sie stünden dem Thema Heimat ohnehin meist näher als die Jugend. „Manche suchen auch noch eine Beschäftigung für die Zeit nach dem Beruf“, sagt er. Was ehrenamtlich geführte Vereine sichern können, sei eine möglichst breite Beteiligung des Vorstands an der Vereinsarbeit. Warum nicht einmal zwei Kassenwarte? Oder Doppelspitzen im Vorsitz? Auch sollte der Vorsitz regelmäßig wechseln. „Wenn einer alles macht im Verein, ist das auf Dauer nicht gut“, sagt Lichtenberg.
Doch manchmal hilft auch das nicht. In Auerstedt im Weimarer Land hat sich der örtliche Heimat- und Traditionsverein vor zwei Jahren aufgelöst. „Wir sind mit 34 Mitgliedern nach der Wende gestartet. Am Ende waren wir noch 17, die meisten um die 70 Jahre“, sagt der frühere Vorsitzende Werner Meister (84). Nachwuchs habe sich nicht gefunden. Irgendwann sei der letzte Ein-Euro-Job ausgelaufen. Die Versicherung für die hochwertige Sammlung im Museum sei teurer geworden. Dann sei der Mindestlohn für Museumsangestellte gekommen. Und nach einer Gemeindefusion habe sich die neue Zentrale in Bad Sulza nicht mehr für die Vereine in den Orten interessiert. „Das war das Aus“, sagt Meister.
Auch das sei typisch, sagt Stückrad. Wenn sich Gemeinden zusammenschlössen, solle damit Geld eingespart werden. Dann würden Funktionen gebündelt und vermeintlich überflüssige Immobilien verkauft. Heimatvereine verlören so ihren Sitz und ihre Museen im Dorf. „Aber ein Heimatmuseum lässt sich nicht einfach einen Ort weiter ansiedeln“, sagt die Beraterin.
In Auerstedt hat sich das Dorf inzwischen selbst geholfen: „Wir haben unsere Aufgaben auf andere Vereine im Ort aufgeteilt“, sagt Meister. Auch das Museum sei weiter geöffnet. So wie auch in Holzhausen. Nur: Von einem „geglückten Generationswechsel“ will die Otto-Knöpfer-Freundin Carola Busse gar nicht sprechen. „Ich bin doch auch schon 62“, sagt sie. Spätestens in 15 Jahren könnte der Verein wieder vor den gleichen Problemen stehen.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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