Nachgefragt
Diakonie muss rechnen können
Die Leitung in vielen diakonischen Einrichtungen ist auf Theologen und Betriebswirtschaftler aufgeteilt. Über die damit verbundenen Herausforderungen sprach André Poppowitsch mit dem Jenaer Unternehmensberater David Hirsch.
Was kennzeichnet diakonische Leitung?
David Hirsch: Die Doppelspitze findet man nicht nur in der Diakonie. In ähnlichen Konstellationen gibt es sie zum Beispiel auch bei AWO und Paritätischer, hier dann häufig als pädagogische und kaufmännische Doppelspitze. Die Besonderheit in der Diakonie ist, dass es ursprünglich nur eine theologische Leitung gab. Die Gemeindeschwester, die rund um die Uhr für Menschen da war, brauchte keine unternehmerische Kompetenz. Jedoch muss man die Frage stellen, ob die Angebote, die diakonische Einrichtungen aus ihrem theologischen Antrieb unterbreiten, auch aus wirtschaftlicher Sicht finanzierbar sind. Wenn das Erwirtschaften von Einnahmen oder das Einwerben von Spenden nicht funktioniert, dann funktioniert auch das „Unternehmen Diakonie“ nicht.
Was macht das mit dem Verhältnis von theologischen und kaufmännischen Vorständen?
Das hängt immer vom Einzelfall und von den handelnden Personen ab. Das hat weniger mit der Profession des Theologen oder des Betriebswirts zu tun, sondern damit, ob Menschen miteinander können oder nicht.
Spannungsreich wird es immer dann, wenn theologische und kaufmännische Leitung nicht auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Schwierigkeiten treten meist auf, wenn ein Gefälle zwischen den Vorständen, ganz gleich in welche Richtung, entsteht. Wenn es Führungskräfte nicht hinbekommen, anstehende Entscheidungen miteinander im Konsens zu treffen, entstehen Probleme, die auch dazu führen können, dass sich Aufsichtsräte oder Kuratorien von Personen trennen – sowohl von Theologen als auch von Kaufleuten.
Welche Herausforderungen sehen Sie?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen in der Sozialwirtschaft besonders geleitet werden müssen. Ihre Motivation ist es, sich Menschen zuzuwenden und ihnen zu helfen. Und wie das Ganze finanziert wird, ist erst mal nicht im Blick. Als Betriebswirt, der ich immer die Finanzierung von Inhalten im Blick hatte, musste ich die besondere Haltung der Menschen, die in der Pflege oder Pädagogik arbeiten, erst einmal verstehen lernen. Dass sie diesen Antrieb haben, ist für ihre Arbeit auch notwendig, denn sonst könnten sie auf Dauer ihren Job nicht gut machen.
Die Herausforderung für die Leitung ist es nun, ihren Mitarbeitern so viel Freiraum wie möglich zu geben, ihre Motivation auszuleben. Gleichzeitig muss sie den wirtschaftlich notwendigen Rahmen setzen, damit das Unternehmen funktioniert.
Welches Leitungsverständnis sollten Führungskräfte mitbringen?
Wenn wir die Intelligenz und Fähigkeiten aller nutzen, dann kommen wir zum Erfolg. Daher werden Führungskräfte gebraucht, die transparent und auf Augenhöhe leiten, die die Angestellten mitnehmen und die Rahmenbedingungen erklären. Das gilt für theologische und kaufmännische Vorstände gleichermaßen. Die Entscheidungen der Führungsebene müssen nicht nur gut verhandelt sein, sondern auch gewinnend und klar den Mitarbeitern kommuniziert werden.
Autor:André Poppowitsch |
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