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30 Jahre Ost-Bistümer
"Ein Beitrag zur Einheit"

Der Erfurter Dom St. Marien am ersten Abend des Katholikentags in Erfurt. | Foto: Foto: epd-bild/Paul-Philipp Braun
  • Der Erfurter Dom St. Marien am ersten Abend des Katholikentags in Erfurt.
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Historische Umschwünge bringen oft große Veränderungen mit sich - und haben auch Einfluss auf die katholische Kirche. Dazu gehört das Ende der Trennung Deutschlands in Ost und West. Vor 30 Jahren errichtete Papst Johannes Paul II. gleich drei neue Bistümer: Erfurt, Magdeburg und Görlitz. Am 7. Juli 1994 wurde die Neuordnung ratifiziert und erreichte einen Tag später Rechtsgültigkeit. Einen Beitrag zur Einheit nannte das der damalige Papstbotschafter in Deutschland, Erzbischof Lajos Kada.

Von Hannah Krewer (KNA)

Zu DDR-Zeiten waren mehrere Bistümer geteilt. Die Katholiken im heutigen Bistum Erfurt gehörten etwa zu Fulda und Würzburg und die in Sachsen-Anhalt zum Erzbistum Paderborn. Formell waren zwar die jeweiligen West-Bischöfe auch für die Katholiken auf DDR-Gebiet zuständig. In der Praxis war das aber kaum umsetzbar.

DDR-Katholiken von ihren Bistümern getrennt

Daher schuf der Papst gleich mehrere Bischöfliche Ämter in der DDR, die von Verwaltern geleitet wurden und sich um das kirchliche Leben in den abgetrennten Bistumsgebieten kümmern sollten. Einen Sonderfall gab es in Görlitz, das vor dem Zweiten Weltkrieg zum nun polnischen Erzbistum Breslau gehört hatte: Dort gab es schon seit 1946 ein sogenanntes Erzbischöfliches Amt, das 1972 dann zur "Apostolischen Administratur" wurde.

Die katholischen Gebiete im Osten entwickelten mit der Zeit eigene Profile, auch in Görlitz. "Viele Menschen, die bis zum Ende des Kriegs gekommen waren, waren Schlesier oder Sudetendeutsche, die zum Teil katholisch waren", erzählt der erste Görlitzer Generalvikar, Peter Canisius Birkner. "Die Seelsorge musste auf diese Menschen abgestimmt werden." Deren Traditionen prägten das Bistum bis heute.

Die Abtrennung kam nach der Wende

Eine Zeit lang verfolgte das vatikanische Staatssekretariat das Ziel, vollwertige Bistümer aus den abgetrennten Gebieten zu machen. Das stieß jedoch auf Widerstand in ost- wie westdeutschen Kirchenkreisen. "Damit wäre die politische Grenze in Deutschland eine kirchliche Grenze geworden und wir hätten damit den Wunsch, eine Einheit in Deutschland zu erreichen, verraten", sagt Birkner.

Dass aber Bischöfliche Ämter entstanden, hatte seinen Sinn. "Es stärkte die Kirche vor Ort in der Diasporasituation", sagt der ehemalige langjährige Leiter des katholischen Büros in Thüringen, Winfried Weinrich. Nach der Wende hätten das auch die Bistümer Fulda und Würzburg anerkannt, womit der Weg für ein eigenes Bistum Erfurt frei gewesen sei.

In Magdeburg war die Entscheidung, sich vom Erzbistum Paderborn abzutrennen, anfangs nicht so klar. Der damalige Verwalter und spätere Bischof Leo Nowak hatte alle Gemeinden um ein Votum gebeten. Die Mehrheit stimmte zwar für ein eigenes Bistum, die Entscheidung fiel aber äußerst knapp aus. Dieser Ausgang erschien Nowak zunächst nicht ausreichend. Er befasste damit erneut mehrere Gremien. "Pro und contra wurden nochmals erörtert. Das Ergebnis war eine deutliche Mehrheit für ein eigenes Bistum."

Neue Möglichkeiten für kirchliches Leben

Die neuen Strukturen waren auch mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden. Die genauen Grenzen mussten festgelegt werden, die Erhebung der Kirchensteuer und der Religionsunterricht an Schulen waren zu organisieren. Dazu wurden Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise den beteiligten Bundesländern abgeschlossen.

"Hinzu kamen die mit der Pressefreiheit gegebenen Möglichkeiten einer bislang nicht gegebenen Öffentlichkeitsarbeit", erinnert sich Altbischof Nowak. "Wir waren es bis dahin nicht gewohnt, unsere Stimme in der Öffentlichkeit zu erheben und unseren Glauben offen zu leben."

Mit der Diasporasituation umgehen können

Die Katholiken in den drei Bistümern waren schon damals in der Unterzahl. Mit den Jahren sind es immer weniger geworden. So lebten 2022 rund 137.000 Katholiken im Bistum Erfurt, in Magdeburg waren es knapp 74.000 und in Görlitz an die 30.000. Zum Vergleich: Im mitgliederstärksten Bistum Deutschlands, im Erzbistum Köln, lebten gleichzeitig mehr als 1,7 Millionen Katholiken. Und das, obwohl die drei Bistümer flächenmäßig viel größer sind.

Der frühere Görlitzer Generalvikar Birkner meint dazu: "Gemeinschaft bilden ist das A und O in der Diaspora." In einem kleineren Bistum kenne man sich untereinander. "Wir müssen alles dransetzen, dass, geprägt vom christlichen Leben, Gemeinschaftsbildung geschieht."

Winfried Weinrich hält es für eine offene Frage, ob das Bistum Erfurt in Zukunft lebensfähig und eigenständig bleibt. Aber: "Die Kreativität in der Diaspora sollte nicht unterschätzt werden. Die tief verwurzelte Entschiedenheit der Gläubigen ist eine nicht berechenbare Kraft."

Auch der Magdeburger Altbischof Leo Nowak blickt mit gemischten Gefühlen in die Zukunft: "Eine noch längst nicht zu Ende gekommene Säkularisierung bleibt eine starke Herausforderung." Viele Probleme der Bistümer im Osten - Kirchenaustritte, Priestermangel, Finanzen - gebe es auch im Westen. Im Osten aber habe man gelernt, in so einer Minderheitensituation zu bestehen, "ohne mutlos zu werden."

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