Woche der Begegnung
Gemeinsam an das jüdische Eisleben erinnern
Gab es in der Lutherstadt mal ein jüdisches Leben? Und wann war das? Wer waren die jüdischen Menschen, die in Eisleben wohnten und mit ihren Familien seit dem 19. Jahrhundert zum Wohlstand der Stadt beigetragen haben, bis sie durch die Nationalsozialisten ausgegrenzt, vertrieben oder ermordet wurden? Gibt es heute noch Menschen, die sich an sie erinnern können?
Von Claudia Crodel
Darüber kann man in der Woche „Gemeinsam erinnern an das jüdische Eisleben“ viel erfahren, die der Förderverein Eisleber Synagoge vom 16. bis 23. Oktober veranstaltet. Es ist eine Woche der Begegnung mit Nachfahren der aus Eisleben vertriebenen Juden. „Die Woche ist vollgepackt mit Terminen ganz verschiedener Art“, sagt Rüdiger Seidel, Vorsitzender des Fördervereins. Ein besonderer Höhepunkt ist am Montag, 17. Oktober, 11 Uhr, die Verlegung von sechs Stolpersteinen für die Familie Burak in der Sangerhäuser Straße 16.
Moses Burak, der 1875 in Galizien geboren wurde und österreichischer Staatsbürger war, kam kurz vor der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert nach Eisleben, wo er in der Sangerhäuser Straße 16 ein Konfektionsgeschäft eröffnete. Er heiratete 1899 die Eisleber Jüdin Klara Bratel. Die beiden hatten vier Kinder: Paul, Arthur, Willy und Maria. Den Familienmitgliedern gelang es, nach Palästina zu fliehen. Dabei halfen auch Eisleber wie Pauls einstiger Schulfreund und Hauptwachtmeister Robert Meister, der ihm zur Flucht riet. Diese führte im Sommer 1938 zunächst nach Belgien und dann per Schiff nach Palästina, wo sich die Buraks teils im Kibbutz Sarid ansiedelten. Paul ging nach Givatayim (heute eingemeindet in Tel Aviv). Ihm soll es schwer gefallen sein, sich in Israel einzuleben, denn seine Bindung an die deutsche Heimat sei groß gewesen. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 10. März 1993.
"Der Name Burak ist in den 1950er-Jahren in Israel hebraisiert worden", so Rüdiger Seidel. Heute laute er Barak. Der Sohn von Paul Burak, Iszak Barak, ist nun unter den Gästen, die am 16. Oktober in Deutschland ankommen. Für ihn ist es nicht die erste Reise nach Eisleben. Schon 2010 war er hier und legte Stolpersteine für die Familie Bartel, die Familie seiner Großmutter.
Der Eisleber Verein setzt ganz besonders immer wieder auf die Arbeit mit jungen Menschen, will sie für die geschichtlichen Geschehnisse sensibilisieren. Davon kann man sich auch bei der Begegnungswoche überzeugen. Bei der großen Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung „Gemeinsam erinnern“ im Martin-Luther-Gymnasium werden Schüler der Katharinenschule Eisleben ein Theaterstück aufführen. Es trägt den Titel „Kinder ohne Leben“ und versteht sich als Annäherung an jüdische Kindheiten in der Nazidiktatur.
Iszak Barak wird bei der Veranstaltung an seinen Vater und seine Familie erinnern. Unter der Moderation von Anett Gottschalk, Leiterin des Museums Synagoge Gröbzig, können die Teilnehmer der Eröffnungsveranstaltung auch Fragen an die jüdischen Gäste stellen.
Autor:Online-Redaktion |
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