Hauptamtlich für das Ehrenamt
Gemeinde: Der Rückgang der Kirchenmitglieder und Stellenkürzungen fordern die Kirche zum Umdenken heraus. Der Einsatz der Ehrenamtlichen ist nicht nur theologisch geboten, sondern auch in der Praxis immer wichtiger. In vielen Kirchenkreisen gibt es Initiativen, um Ehrenamtliche zu begleiten und zu unterstützen.
Von Katja Schmidtke
Als Lektor vor die Gemeinde treten und aus der Bibel lesen, einen Basar zugunsten des Kindergartens organisieren, sonntags im Chor singen, Andachten gestalten, die Gäste der tansanischen Partnergemeinde betreuen, alte, einsame und kranke Menschen besuchen, einen Treff für Flüchtlinge einrichten, zum Hauskreis einladen oder beim Gemeindefest Kaffee kochen – ohne Ehrenamt geht es nicht und soll es nicht gehen in unserer Kirche. »Eine Gemeinde blüht auf unter den vielfältigen Gaben ihrer Mitglieder«, sagt Cornelia Gebhardt.
Sie ist Referentin für die Arbeit mit Ehrenamtlichen im Kirchenkreis Bad Liebenwerda und möchte Christen dazu ermutigen, sich in ihrer Kirche und für ihren Glauben zu engagieren. Es sind auf dem Land wie in der Stadt besonders die Ehrenamtlichen, die das Evangelium sichtbar machen. Die Hauptamtlichen müssen immer größere Gebiete mit vielen, aber kleinen Gemeinden betreuen. Ehrenamtliche können diese Lücken füllen, ohne Lückenbüßer zu sein, betont Cornelia Gebhardt. Wie das gelingt? »Indem wir das Ehrenamt pflegen, die Ehrenamtlichen unterstützen und nicht allein lassen, ihnen zuhören, sie weiterbilden und helfen, Konflikte zu lösen«, sagt Gebhardt. Seit fast zwei Jahren arbeitet sie als Ehrenamtsreferentin zwischen Schönewalde und Mühlberg, Falkenberg und Schwarzheide.
Der Kirchenkreis Bad Liebenwerda war einer der ersten und ist immer noch einer der wenigen der 37 Kirchenkreise, in dem ein hauptamtlicher Mitarbeiter sich ausschließlich um die Belange der Ehrenamtlichen kümmert. Cornelia Gebhardt, die eigentlich Mathe- und Kunstlehrerin ist und Religionspädagogik und Personal-entwicklung studierte, organisiert Bildungsangebote und Vernetzungstreffen für die Ehrenamtlichen. Schwerpunkte sind vor allem Verkündigungsdienst, Gemeindekirchenrat sowie die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Senioren. Sie hat eine volle Stelle, allerdings befristet.
Ähnliche Stellen haben auch die Kirchenkreise Merseburg und Egeln geschaffen. Andere Kirchenkreise übertragen Pfarrern oder Gemeindepädagogen Stellenanteile für die Ehrenamtsarbeit, kooperieren mit diakonischen Freiwilligenagenturen oder kirchlichen Bildungshäusern, berichtet Claudia Neumann vom Gemeindedienst der EKM. »Den einen Weg gibt es nicht. Die Kirchenkreise suchen nach je eigenen passfähigen Formen«, sagt Neumann. Aber viele haben erkannt: »Die Arbeit mit Ehrenamtlichen ist ein Zukunftsthema, wenn nicht das Zukunftsthema.« Und sie gelinge dort besonders gut, wo nicht in formalen Kompetenzen und Hierarchien gedacht wird, sondern die Frage im Mittelpunkt steht: Wie können wir eine lebendige Gemeinde sein oder werden? Was braucht unsere Welt von uns – und was können
wir von uns sichtbar werden lassen?
Das erfordert vielfach auch einen Paradigmenwechsel: Wir sind eine Gemeinde mit vielen unterschiedlichen Menschen und Begabungen – und die Hauptamtlichen kommen hinzu. Schon in den ersten Gemeinden hatte jeder seine Aufgabe, und war sie noch so klein. Claudia Neumann betont, dass alle zusammen die Gemeinde bauen. Dabei möchte sie auch den Hauptamtlichen Druck nehmen: Nichts lässt sich verordnen, Mitarbeiter können Engagement anregen und erste Projekte anschieben, aber sie können bei den heutigen Gemeindegrößen nie überall auch noch Hauptakteur sein. »Das Wichtigste in der Ehrenamtsarbeit ist immer kleinteilig und geschieht vor Ort«, weiß Claudia Neumann die Mühe der Arbeit von ehrenamtlich wie beruflich Engagierten zu schätzen.
Seit September 2017 ist der Gemeindepädagoge Marcus Bornschein auch zuständig für die Ehrenamtlichen im Kirchenkreis Mühlhausen, der Stellenanteil dafür beträgt 20 Prozent. »Das ist wenig für die Größe des Kirchenkreises – 96 Gemeinden mit 35 000 Gliedern. Aber es ist ein Anfang und es bringt uns in Bewegung«, sagt er. Schritt um Schritt. Marcus Bornschein hat Gemeinden besucht, mit den Ältesten gesprochen und den Bedarf ermittelt. Vorwiegend gehe es darum, dass die Ehrenamtlichen sich wahrgenommen fühlen und dass sie wissen, wohin sie sich bei Fragen und Problemen wenden können. Ganz praktisch kann das heißen: Woher bekommen wir die Technik für die Musical-Aufführung, wie gestalten andere Gemeinden ihre Christenlehre und könnte das bei uns auch funktionieren, wo gibt es finanzielle Unterstützung für die Gemeindefahrt und wie funktioniert das mit der Kinder- und Jugendleitercard, können jugendliche Teamer die Konfi-Fahrt begleiten?
Marcus Bornschein weiß, dass viele Menschen sich engagieren möchten – wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Doch egal ob kurz- oder langfristiges Engagement: Wichtig sei es, diese Menschen ganz persönlich anzusprechen. »Der große Aufruf über den Kirchenkreis oder die Region funktioniert nicht. Engagement entsteht aus Begegnungen und Beziehungen«, so sein Fazit. Deshalb sieht er es auch als seine Aufgabe, die Pfarrer und Gemeindekirchenräte zu sensibilisieren. »Sie kennen die Menschen und ihre Gaben.«
Natürlich müssen auch die Hauptamtlichen mitziehen und bereit sein, Verantwortung zu teilen. Gegenseitige Wertschätzung und eine respektvolle Kommunikation sind die Bausteine dafür, um Entscheidungskompetenzen neu zu verhandeln. Ehrenamtliche sind keine Hilfspfarrer. »Das sind hochbegabte Menschen, die in ihrer Gemeinde nicht nur Konsumenten sein können und wollen«, meint Cornelia Gebhardt.
»Wir brauchen das Ehrenamt, auch um unsere Hauptamtlichen zu entlasten«, sagt Ralf Hellriegel, Präses der Bad Liebenwerdaer Kreissynode. Friedhof, Gemeindebrief, Lektorendienste seien einige Bereiche, die nun bereits von Ehrenamtlichen verantwortet werden. Die Bilanz nach drei Jahren falle sehr gut aus.
Am 24. Februar wird Cornelia Gebhardt im Gottesdienst in Elsterwerda verabschiedet. Superintendent Christof Enders sagt, sie habe die Ehrenamtsarbeit »wunderbar vertieft«. Dies wolle man auf zwei Wegen fortsetzen: Zum einen über die Evangelische Erwachsenenbildung, für die eine auf drei Jahre angelegte Projektstelle ausgeschrieben ist, und zum anderen über die Erprobungsräume der EKM. Der Kirchenkreis hat einen Antrag eingereicht, in dessen Kern es darum geht, Gemeindeglieder zu befähigen, eigene Gruppen zu gründen und zu leiten.
Autor:Online-Redaktion |
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