Magdeburger Ringvorlesung
Heimat gleich Identität und Offenheit
In einem Punkt waren sich die Gesprächspartner einig: Der Begriff Heimat dürfe nicht von Rechtsextremen vereinnahmt werden.
Von Angela Stoye
Er dürfe nicht denen überlassen werden, die damit andere Menschen ausgrenzen wollten, so der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer. Sein katholischer Magdeburger Amtsbruder Gerhard Feige forderte dazu auf, nicht an einem veralteten Heimatbegriff festzuhalten.
Dem ebenso schillernden wie komplexen Begriff Heimat widmet sich die zehnte Auflage der Magdeburger Ringvorlesung, die am 26. Januar eröffnet wurde. Es geht in der Reihe um Heimat zwischen Idyll und Lebensraum, Dorf und digital, Nostalgie und nationaler Gesinnung – um nur einige Bezüge zu nennen. Den ersten Abend gestalteten die beiden Bischöfe im Dialog darüber und durchaus persönlich, was für sie Heimat ist und was sie auf gar keinen Fall sein darf. Die Ringvorlesung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, der Katholischen Akademie des Bistum Magdeburg und der Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Sachsen-Anhalt. Bis zum Juni sind fünf weitere Vorlesungen geplant, die nächste am 23. Februar zum Thema „Wohin geht der Trend: Raus aufs Land oder Flucht in die Stadt?“.
Doch zurück zum Anfang: Friedrich Kramer warnte davor, den Heimatbegriff nicht „naiv-fröhlich zu gebrauchen“ im Sinne von „wir und die anderen“. „Ein auf Abgrenzung setzender Heimatbegriff zerstört die Heimat und führt zu Lieblosigkeit und Hass.“ Andererseits sieht er auch, dass individuelle Heimatstrukturen immer mehr geschwächt werden. Ein Beispiel dafür sei die sich wandelnde Bestattungskultur. „Auf unserem Dorffriedhof liegen alle – Was seit Jahrhunderten selbstverständlich war, ändert sich total“, sagte Kramer.
"Was seit Jahrhunderten selbstverständlich war, ändert sich total“
Für Gerhard Feige sind die aussterbenden Dörfer ein Problem. „Die Menschen, die dort zurückbleiben, fühlen sich entwurzelt, obwohl sie noch im selben Ort leben.“ Der katholische Bischof unterstrich: „Wer begrenzt ist auf ein kleines Gebiet und wenige Beziehungen, kommt in eine Verteidigungshaltung anderen gegenüber.“ Heimat sei Identität und Offenheit.
Feige verwies auch darauf, dass die katholische Kirche in der Region seit der Reformation eine Kirche der Zugezogenen und Flüchtlinge sei. Das habe sich besonders nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, aber auch ab 1990. „13 Prozent der Katholiken im Bistum Magdeburg sind Ausländer, etwa ebenso viele sind aus den alten Bundesländern gekommen.“ Katholiken seien eine Minderheit im Land, sie seien es gewohnt, weit zu ihren Gottesdiensten zu fahren und sich nicht an Gebäude zu klammern. „Wir müssen mit allen eine neue Wirklichkeit schaffen und auch von Ausländern lernen, das gehört dazu.“
Kramer, in dessen landeskirchlichem Gebiet jede fünfte Kirche in Deutschland steht, betonte, dass der eigene Kirchturm für viele Menschen Heimat bedeute. Christen hätten ihre Heimat aber auch im Himmel. Wider einen naiven und regressiven Heimatbegriff zeigte er einen modernen Begriff von Heimat auf, zu dem auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte gehöre. „Diesen Begriff müssen wir stärken.“
Dass sich das, was man zu seiner eigenen Heimat zählt, im Leben auch ändern kann, wurde im Gespräch der beiden Geistlichen ebenfalls deutlich. „Heimat kann man überall entdecken“, so Kramer, „und man kann anderen helfen, sich hier zu beheimaten.“ Feige, der in seiner Zeit in Halle die Musik von Händel bevorzugte, hat sich als Magdeburger Bischof Telemann angenähert. Und: „Ich bin absolut kein Fußballfan, aber seit Kurzem gucke ich doch, wo der 1. FCM gerade steht.“
Autor:Angela Stoye |
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