Erfurter Lutherkirche
Nur auf Kies gebaut
Wer sie betritt, der ist erst einmal eigenartig berührt: Die Erfurter Lutherkirche könnte als ein Prototyp des Protestantismus gelten.
Paul-Philipp Braun
Ziemlich schmucklos wirkt der halbrunde Kirchenraum auf seine Besucher, strahlt zugleich aber Weite und eine besondere Gemütlichkeit aus. Um die Jahrhundertwende entstanden, wurde die Kirche 1927 eingeweiht und sticht bis heute aus den Sakralbauten des vor allem mittelalterlich geprägten Erfurt hervor. Auch, weil der leuchtend gelbe Turm mit der bronzegrünen Kuppel sich erheblich von den viel älteren Kirchen unterscheidet.
Doch die Einzigartigkeit der Kirche im einstigen "Blechbüchsenviertel" der Landeshauptstadt hat ihren Preis. Einen, den Frank Rupprecht, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates (GKR), auf weit mehr als eine halbe Million Euro beziffert. "Unsere Kirche ist schlicht auf Kies gebaut", erklärt Rupprecht und berichtet, dass der lose Untergrund dazu führe, dass das Kirchenschiff "ständig in Bewegung" sei – und das schon seit der Zeit des Baus.
Mitte der 1990er-Jahre, erinnert Rupprecht sich, sei das Problem aber besonders auffällig geworden. Tiefe und breite Risse klaffen seitdem in der Nordwand der Lutherkirche, spezielle Rissmarken und ein digitales Monitoring überwachen nun an diesen Stellen, wie sehr das Gebäude sich verzieht. "Außerdem mussten wir eine Gasleitung kappen lassen, da deren Gebäudeeinführung sich genau im Spannungsbereich befindet", erläutert Frank Rupprecht die Schutzmaßnahmen. Dass der GKR das Gebäude zwischenzeitlich sogar ganz sperren musste und erst ein Baugutachter Entwarnung geben konnte, ist nur eine von vielen Anekdoten, die er und Gemeindepädagogin Franziska Gräfenhain erzählen können. Zwar habe ein Prüfstatiker der Stadt sie "ein wenig trösten können", meint Gräfenhain, hinsichtlich des Handlungsbedarfs gab es allerdings keine guten Nachrichten. "Der Statiker sagte uns damals, dass die Kirche zwar nicht einstürzen werde, dennoch könnten Teile von der Decke oder den Wänden herunterkommen", erklärt Gräfenhain.
Die einzige Lösung für das Problem ist eine Befüllung des Kiesbodens mit Beton. Dadurch würde eine Stabilisierung des Baugrundes eintreten. Doch allein die Füllmaßnahmen würden rund 500 000 Euro kosten. Weitere Baumaßnahmen, die die Kirche zukunftsfähig machen, seien da noch nicht eingerechnet, so Frank Rupprecht: "Wir würden gern auch einen barrierefreien Zugang zum Gemeindebüro ermöglichen oder etwa behindertengerechte Toiletten einrichten." Insgesamt schätzt er das Investitionsvolumen für diese Vorhaben auf nahezu drei Millionen Euro.
Eine Spendenaktion mit Aktien und das regelmäßige Werben in Gemeindebriefen und auf der Webseite seien bisher erste Versuche, den Betrag zusammenzubekommen. "Wir stehen außerdem im Austausch mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und würden uns freuen, wenn auch die Politik uns mit unserem Anliegen unterstützt", berichtet Frank Rupprecht. Schließlich sei die Kirchengemeinde Martini-Luther mit ihren 3500 Gemeindemitgliedern und ihren vier Standorten im Norden der Stadt die größte in Erfurt.
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