Kirchenkreis Gotha
Vom Sehen zum Denken
In Gotha ist ein riesiger Altar weg. Genau genommen ist der Altar der Augustinerkirche seit Aschermittwoch hinter einem großen, bunten Tuch verschwunden. Für die Verhüllung ist die Künstlerin Bettina Schünemann verantwortlich. Die geborene Oldenburgerin lebt und arbeitet seit 1994 in Gotha.
Andrea Terstappen
Altarverhüllungen, auch Fastentücher genannt, würden oft von den Kirchengemeinden immer wieder benutzt, Jahr für Jahr, erklärt die Künstlerin. "Wie etwa beim Freiburger Münster. Diese mittelalterlichen Fastentücher sind super gestaltet, da ist das ganze Alte und Neue Testament teilweise drauf.“
Das von Bettina Schünemann gestaltete Fastentuch ist 5 mal 7 Meter groß und ganz modern. Mit dünnen Acrylfarben und in großen, geometrisch angeordneten Farbflächen hat sie das riesige Stück Theaterstoff in mehreren Schichten bemalt. „Ja, mein Atelier hätte dafür nicht ausgereicht. Ich durfte einen Probensaal vom Theaterverein hier in Gotha nutzen.“
Erst in der Kirche kann die Künstlerin das XXL-Kunstwerk dann richtig sehen. „Klar, das ist aber grundsätzlich so" sagt sie. Auch bei anderen Werken, die man im Atelier fertigt, sehe man sie später, wenn sie in der Ausstellung hängen, noch einmal wirklich neu.
Der Altar in der Gothaer Augustinerkirche bleibt noch bis Ostern mit Schünemanns Werk verhüllt. So können auch die Augen fasten. „Dafür sieht man etwas anderes, und das ist der Punkt, der mich auch interessiert." Für Altäre wie auch für ihre Verhüllungen gilt: Die Gestaltung ist eine Geschmacksfrage. So habe es zuvor auch schon einmal Stimmen gegeben, die dafür plädiert hätten, die Verhüllung am Altar zu belassen, sagt Schünemann.
„Ich verwende ganz gern metallische Farben. Da ist so ein silbriger Streifen, der holt ein bisschen das Licht von der Seite. Dann haben wir das Violett, das ja die traditionelle Passionsfarbe ist.“ Das Hellblau könnte für den Himmel stehen, das schwarze Dreieck darunter auf den Tod hinweisen.
Aber Bettina Schünemann möchte keine Interpretation vorgeben. Die Gäste der Augustinerkirche sollen das Fastentuch selbst entdecken. Vom Augenfasten geht für die Künstlerin ein besonderer Reiz aus: „Man entzieht etwas den Blicken eine Weile, dann erst wird einem bewusst, was man daran hat.“ Für die Menschen heute sei es fast unmöglich, tatsächlich Augenfasten zu halten, sagt sie. „Die Welt besteht nur noch aus Bildern. Aber es hätte einen Wert, vom Sehen neu zum Nachdenken zu kommen.“
Autor:Online-Redaktion |
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