Schülerprojekt
Wie die Bürgerwehr das Quartier rettete
Damals war es fast eine Mutprobe – 1987 in der Erfurter Michaeliskirche diese Ausstellung zu besuchen. Jene kleine und doch hochexplosive Exposition, mit der die AG Stadt- und Wohnumwelt der evangelischen Kirche um Matthias Sengewald gegen Verfall und Abriss des Andreasviertels protestierte.
Von Angelika Reiser-Fischer
Mit den damals aktuellen Ruinen-Fotos und farbenfrohen Zeichnungen, wie es hätte sein können. Bunt, wohnlich. Mehr als 12 000 Besucher sahen sich das damals an, trotz Einschüchterungsversuchen. Und Hunderte standen im Dezember 1989 in der Menschenkette um die Erfurter Altstadt.
Geschichte. Ein Stück Erfurter Historie. Wer erinnert sich noch? Wer war dabei? Vier Schüler des Erfurter Ratsgymnasiums mit ihren Lehrerinnen Franziska Neudorf und Claudia Bargfeld nahmen sich der Sache an. Im Rahmen des Geschichtswettbewerbes des Bundespräsidenten bewarben sie sich mit ihrer Arbeit unter dem Titel „Das Andreasviertel in Erfurt 1989. Wie Bürgerwehr Kultur bewahrte“. Am 12. September wurden sie dafür mit einem Förderpreis der Körber-Stiftung im Erfurter Rathaus ausgezeichnet. Insgesamt elf Preise waren an Thüringer Schüler vergeben worden, landesbeste Schule war diesmal das Friedrichgymnasium Altenburg.
Doch der Gewinn für jene vier Erfurter Schüler war weit höher als die 500 Euro Preisgeld. Enna Marlene, Leoni-Zoe, Mara Zoe und Til aus der Klasse 10e erzählen noch immer begeistert über ihre Forschungsarbeit. Zeitzeugen hatten sie mit Hilfe der Universität Erfurt ausfindig gemacht, waren im Stadtarchiv und immer wieder auf Stadtgang durch das heute so bunte Quartier. „Es hatte ja schon immer mal eine Ausstellung oder Veröffentlichung zu dem Thema gegeben. Und trotzdem waren wir nicht die einzigen, die von dieser Sache im Andreasviertel 1989 noch nie gehört hatten, auch viele Erwachsene nicht – da haben wir uns auch gewundert“, berichten die vier.
"Und trotzdem waren wir nicht die einzigen, die von dieser Sache im Andreasviertel 1989 noch nie gehört hatten, auch viele Erwachsene nicht"
Sie sehen jetzt nicht nur ihre Stadt mit neuen Augen. Die beiden Lehrerinnen sind obendrein des Lobes voll: „Noch nie hat eine Gruppe so selbstständig wissenschaftlich gearbeitet, sich so intensiv mit der DDR-Geschichte befasst – obwohl das Thema ja erst ein Jahr später im Unterricht behandelt wird“, sagen sie. Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte bei der Preisverleihung daran erinnert, dass die Rettung des historischen Viertels auch ein Stück weit die deutsche Einheit verkörperte, da damals viele Unternehmen aus Hessen und Rheinland-Pfalz bei der Notsicherung der maroden Häuser geholfen hätten. Dächer wurden repariert, Mauern gestützt.
Derzeit überlegen die Schüler, wie sie ihre Arbeit öffentlich machen könnten. Vielleicht stellen sie sie mal im Rahmen eines Elternabends vor?
Autor:Online-Redaktion |
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