Tanz in den Mai
Cha-Cha-Cha gegen Corona-Blues
Dürfen wir bitten? Wer Sport treibt, kann Stress abbauen – nicht nur in Zeiten von Corona. Besonders eine Bewegungsform sorgt zudem auch noch für gute Laune: Tanzen.
Von Angelika Prauß
Die Lieblingsmusik laut aufdrehen – und schon kann es losgehen. Das hebt die Stimmung und hält fit. Tanzen bietet eine willkommene Ablenkung, der man notfalls auch alleine frönen kann. Wohl auch deshalb hat die #JerusalemaDanceChallenge im vergangenen Jahr so viele Menschen bewegt, gemeinsam mit anderen – und dem nötigen Abstand – gegen den Corona-Blues anzutanzen.
Wenn ein einladender Rhythmus erklingt, ist es kaum noch möglich, Körper und Füße still zu halten, wie Julia F. Christensen, Psychologin am Max Planck Institut Frankfurt, bestätigt. Die begeisterte Tango-Tänzerin kennt den Grund für diese Bewegungsfreude: Im Gehirn seien die Nervenzellen, die für Hören und Bewegung zuständig sind, miteinander gekoppelt, Töne würden im Gehirn sozusagen in Bewegungsimpulse übersetzt.
Tanzen ist offenbar über alle zeitlichen und kulturellen Grenzen hinweg ein Grundbedürfnis des Menschen; die Freude daran scheint in den menschlichen Genen verankert zu sein. Schon auf Höhlenzeichnungen sind tanzende Menschen zu sehen. Im Tanz fühlen sich Menschen eins mit der Musik, mit sich selbst, den Mittänzern und mit-unter sogar mit Gott. So kann die Bewegung zur Musik auch eine spirituelle Komponente haben.
Auch das Christentum kennt den Tanz – zur Ehre Gottes. König David und Aarons Schwester Mirjam sollen getanzt haben, ebenso Teresa von Avila, Franz von Assisi und Hildegard von Bingen. Schon Kirchenvater Augustinus hat im vierten Jahrhundert eine Lobeshymne auf den Tanz verfasst, die in dem Satz gipfelt: "O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen." Tanz "befreit den Menschen von der Schwere der Dinge, bindet den Vereinzelten zu Gemeinschaft", heißt es in seinem "Lob des Tanzes". Dieser "fordert und fördert: Gesundheit und klaren Geist".
Was Augustinus intuitiv spürte, bestätigen inzwischen wissenschaftliche Studien: die Ausschüttung von Glückshormonen, bessere Kondition und Koordination, gesteigertes Körper- und Selbstbewusstsein, sinkendes Stressempfinden, gemilderte Depressionen, verlangsamter Alterungsprozess von Körper und Geist. In vielen Kulturen ist der Tanz laut Christensen ein Teil von Heilungsritualen.
Umso mehr Spaß macht die gesunde Freizeitbeschäftigung mit Partner und in Gesellschaft Gleichgesinnter. Christensen nennt einen angenehmen Nebeneffekt: "Es gibt kaum eine andere körperliche Betätigung, die so viel Körperkontakt und Nähe erfordert" – gerade angesichts geltender Abstandsregeln sehnen sich die Menschen nach Berührungen. Spiegelneuronen sorgen dafür, dass sich die Körper synchron bewegen und sich wortlos abstimmen. Auf der Tanzfläche passiere "viel Spannendes zwischen Bauch und Kopf, zwischen Herz und Gehirn". Umso mehr leiden Tanzbegeisterte darunter, dass sie derzeit auf dieses Vergnügen mit Gleichgesinnten verzichten müssen. Tanzschulen wie die von Jörg Riemer im norddeutschen Wedel trotzen der Corona-Zeit mit digitalen Angeboten. Erst im März hat er mit 30 anderen Tanzschulen aus ganz Deutschland einen Online-Weltrekord im Cha-Cha-Cha aufgestellt. 1400 Paare – 2800 Personen – nahmen daran teil. Und in diesem Jahr veranstaltet Riemer via Zoom mit drei weiteren Tanzschulen erstmals einen virtuellen Tanz in den Mai.
(kna)
Christensen, Julia F. und Chang, Dong-Seon: Tanzen ist die beste Medizin, rowohlt Polaris, 2018, 320 S., ISBN 978-3-499-63353-9; 14,99 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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