Imkern, wo andere beten
Der süße Michel
Imkern an Kirchen erfreut sich wachsender Beliebtheit. Seit 2016 leben auf dem Turm des Hamburger Michels Bienenvölker. Aber ihr Honig ist für den Imker nur Nebensache.
Von Michael Althaus
Sie genießen ein einmaliges Panorama auf Alster, Elbe und den Hafen: Auf dem Turm des Hamburger Michels leben seit einigen Jahren Bienen. Aus 65 Metern Höhe schwärmen sie zum Nektarsammeln aus ins Zentrum der Hansestadt und produzieren Honig. Für Hobby-Imker David Hohmann ist es trotz Aufzug mühsam, seine Ausrüstung regelmäßig bis zu dem Balkon auf Höhe des fünften Turmbodens zu befördern. Gegen plötzlich einsetzendes Glockengeläut hat er sich bereits einen Gehörschutz zugelegt. "Aber die Aussicht entschädigt für alles", sagt der 44-Jährige.
Neben seiner Arbeit als selbstständiger Bühnenbildner beschäftigt sich Hohmann seit einigen Jahren mit Bienen. "Ich finde Bienen unglaublich spannend. Es sind tolle Lebewesen, und man kann viel von ihnen lernen, was zum Beispiel Zusammenhalt angeht." 2016 suchte Hohmann einen neuen Standort für seine Bienenstöcke – und kam auf den Michel. Hier durfte er seine Bienenstöcke aufstellen und sieht sich dabei in guter Tradition: "Viele kirchliche Einrichtungen haben früher Bienen gehalten, insbesondere die Klöster."
An immer mehr kirchlichen Standorten in Deutschland gibt es wieder Bienen – etwa im Schatten des Bremer Sankt Petri Doms. Auch am Landeskirchenamt der reformierten Kirche im ostfriesischen Leer sind zwei Bienenvölker tätig.
Während Hohmann seine Bienenstöcke öffnet, erschallen von oben Trompetenklänge. "Ein Vergnügen, das man wohl nur am Michel hat", freut sich Hohmann. Die Honig-Produktion läuft allerdings noch zögerlich. "Das nasse, unbeständige Wetter in diesem Frühjahr schlaucht die Bienen." Normalerweise holt Hohmann zwei Honigernten im Juni und im Juli ein. "In diesem Jahr wird es nur eine werden." In guten Jahren beläuft sich die Ausbeute auf rund 40 Kilogramm. Für die Stadt sei das richtig gut, so Hohmann. Überhaupt sei Stadthonig sehr gesund, weil die meisten Pflanzen nicht gespritzt würden, und es eine große Artenvielfalt gebe.
Zur Hochsaison im Mai und Juni steigt der Imker einmal wöchentlich auf den Turm, um nach seinen Bienen zu sehen und etwa Milbenbefall rechtzeitig zu erkennen. Spätestens Ende Juli nach der Honigernte ist das Bienenjahr vorbei. Die Tiere bereiten sich dann auf den Winter vor, den sie dicht gedrängt in ihrem warmen Stock verbringen. Hohmann nutzt diese Zeit für Aufräumarbeiten.
Viele Turmbesucher reagieren positiv, wenn sie ihn nach Erklimmen von 227 Stufen beim Imkern treffen. "Die Touristen sind eigentlich immer begeistert", erzählt Hohmann. Der Honig wird nach der Ernte alljährlich im Michel-Shop angeboten – und ist meist innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Vom Erlös deckt Hohmann seine Kosten für Material und Ausrüstung, der Rest kommt der Kirchengemeinde zugute. Aber: "Der Honig ist nur ein Nebenprodukt. In erster Linie geht es um den Spaß am Imkern."
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.