Nachgefragt
Die Puppe als Seelentröster in der Not
Puppen und Kuscheltiere hören zu, trösten, sind nicht böse, wenn sie beschimpft werden und lassen sich zu jeder Zeit knuddeln. Sie seien Seelentröster, sagt die Frankfurter Puppenforscherin und Psychologieprofessorin Insa Fooken. Dieter Sell befragte sie über eine Materie, die zugleich tot und lebendig ist.
Warum haben Kinder ein so inniges Verhältnis zu Kuscheltieren?
Insa Fooken: Das hängt oft mit der Situation zusammen, in der sie diese geliebten Wesen bekommen haben. Da muss es genau stimmen – obwohl sich manchmal die Liebe erst auf den zweiten Blick entwickelt. Es gibt Kinder, die nur eine gewisse Zeit innig mit ihnen spielen und die bei Kuscheltieren zum nächsten wechseln. Und es gibt Kinder, die haben nur ein Lieblingskuscheltier, das Trost spendet, Freund-, Spiel- und Kuschelfunktion hat.
Die innige Liebe ist mehr als die Beziehung zu einem Stück Stoff?
Ja, das ist überhaupt das erstaunliche Phänomen, dass Menschen und gerade Kinder ein totes Stück Material beleben und damit so spielen können, als ob es ein menschliches Gegenüber ist. Diese Fähigkeit, zu beleben, manchmal verbunden mit wilden Fantasien, das ist einzigartig. Kinder können Puppen und Kuscheltiere als Dialogpartner inszenieren und kurz darauf in die Ecke werfen, weil es doch nur gefühllose Dinge sind. Wenn dann aber fünf Minuten später jemand anders mit ihnen unwirsch umgeht, können sie vehement protestieren, eben so, als ob sie lebendig wären.
Sie sprechen davon, zu inszenieren und das Spiel selbst zu gestalten. Kommt es darauf im Zusammenhang mit Puppen und Spielfiguren an?
Absolut. Welt gestalten, die Regie übernehmen, das ist wichtig. Das spielende Kind bestimmt, wie weit es gehen will. Das ist ein Übungsfeld, das ist Probehandeln, und zwar ohne pädagogischen Zeigefinger. Für Kinder, für Menschen überhaupt, ist es zentral, so etwas wie Selbstwirksamkeit zu spüren, also sich selbst als jemanden zu erleben, der bestimmt, was passiert und was dabei herauskommt.
Haben Puppen oder Kuscheltiere im Vergleich mit real existierenden Menschen vielleicht sogar Vorteile?
Puppen können mit allen Gefühlen, die man hat, bespielt und belegt werden. Man kann sie anschreien, beschimpfen, abknuddeln, man kann sie in die Ecke stellen, und sie tragen nicht nach. Sie lassen Vergebung erfahren, rechnen Schuld nicht auf, sind nicht beleidigt oder böse und brechen auch den Kontakt nicht ab. Insofern geben sie immer wieder die Chance zu einem Neuanfang. Das ist eine gute Möglichkeit, an Beziehung zu glauben.
Puppen sind also Seelentröster?
Die Geschichte der Seelentröster ist spannend. Lange Zeit war es so, dass ganz junge Frauen, eigentlich noch Kinder, die in ein Kloster sollten, um Nonne zu werden, nicht ohne Aussteuer kommen durften. Was dazu gehörte, war genau vorgeschrieben. An allererster Stelle stand eine Holzpuppe, die etwa einem dreijährigen Jungen entsprechen sollte, im Grunde eine Art Jesuskind. Im Zusammenhang mit diesen Puppen haben sich die Begriffe des Seelenkindes und des Seelen-Trösterleins geformt. Denn die Kinder, die unter Schweigegebot ohne Eltern und ohne Geschwister in den Klosterzellen saßen, hätten nicht überlebt, wenn sie kein Gegenüber gehabt hätten. Ich glaube, das ist den Oberinnen bewusst gewesen.
So gibt es auch heute eine ganze Reihe Geschichten von Kindern, die in Not sind, bei denen die Puppe, das Püppchen, das Tierchen, das sie noch haben, eine überlebenswichtige Rolle übernimmt. Es sind Seelentröster, die Halt geben, bei Angst, bei Trauer, bei Verlusterfahrungen.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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