Musiktherapie
„Hier wird nicht nur gestorben"
Wenn einmal wöchentlich im Friedrich-Zimmer-Haus Waschbretter und gusseiserne Bügeleisen zum Einsatz kommen, ist nicht etwa die hauseigene Waschmaschine defekt. Dann sind die Kinder der benachbarten Kindertagesstätte „Holzwürmchen“ zu Besuch im Weimarer Pflegeheim.
Von Sandra Smailes
Damian sitzt neben Ursula, Madita neben Horst, Jamie neben Hedwig – im Raum ist freudige Erwartung zu spüren. Sie singen und spielen das Lied von den „fleißigen Waschfrauen“. Die Musik ist die Brücke zwischen den verschiedenen Lebenswelten, zwischen Alter und Erfahrungen.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Weimarer Musiktherapeutin Susanne Schodlok. Seit fast 25 Jahren arbeitet sie mit dementen, sterbenden oder kriegstraumatisierten Menschen zusammen – und auch mit Kindern. Nun entwickelte Schodlok ein generationsübergreifendes Konzept, bei dem sich verschiedene Generationen austauschen und voneinander profitieren können – ähnlich wie in einer Großfamilie, die aufgrund des demografischen Wandels eher selten geworden ist. Sie nutzte die direkte Nachbarschaft von Kindertagesstätte und Pflegeheim und stieß mit ihrer Idee auf offene Ohren. Es sollte sich nicht bloß um einen braven Anstandsbesuch der Kinder handeln, sondern echte Begegnungen sollten ermöglicht werden – ähnlich wie in einer Großfamilie.
Seit drei Monaten gibt es diesen festen Termin im Kalender. “Kommt zu uns – hier wird nicht nur gestorben, hier wird auch gelebt“, drückte eine 85-jährige Dame die Vorfreude auf den Besuch der Kindergartenkinder aus. Dabei ist es spannend zu erleben, welche Lebenswelten aufeinander treffen. Die Bewohner des Pflegeheims sind zumeist während des Zweiten Weltkrieges aufgewachsen und hatten kaum eine unbeschwerte Kindheit. Die meisten von ihnen sind heute von Demenz betroffen. Durch die regelmäßigen Begegnungen mit den Kindern wird ihr Langzeitgedächtnis aktiviert. Da hier besonders großes Einfühlungsvermögen gefordert ist, unterstützt und begleitet Susanne Schodlok die Treffen musiktherapeutisch. Ihr zur Seite stehen eine Mitarbeiterin des Kindergartens und eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Pflegeheimes.
Lieder und Tänze aus der Kinderzeit werden aufgefrischt. Erzählungen über alte Handwerke und Berufe wecken bei den Kindern regelmäßiges Staunen und großen Wissensdrang. Die Kinder bringen Spiellieder aus ihrer Welt mit ein. Auch Freundschaften haben sich schon entwickelt und kleine Traditionen, z. B. das gemeinsame Vespern mit dem "guten Geschirr" oder die „Kitzelrunde“ zum Abschluss der Treffen. Gehen die Kinder dann zur Mittagsstunde in den Kindergarten, plaudern die Senioren noch lange von den Erlebnissen der gemeinsamen Stunde.
Unterstützt wurde das Projekt bisher von der Deutschen Stiftung für De-menzerkrankte. Um die Begegnungen auch zukünftig weiterführen und begleiten zu können, sucht die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein derzeit Förderer.
Autor:Sandra Smailes |
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