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Nachgefragt
Hospizbewegung: Auf die Anfänge besinnen

Foto: pixabay.de/Jill Wellington

Monika Müller hat die Hospiz- und Palliativarbeit in Deutschland wesentlich mit aufgebaut. Für ihr Engagement ist die Pädagogin aus Nordrhein-Westfalen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Zum 12. Thüringer Hospiz- und Palliativtag am 7. September in Erfurt stellt sie das Thema Resilienz in den Mittelpunkt. Beatrix Heinrichs hat sie dazu befragt.

Vor welchen Herausforderungen steht das Hospizwesen aktuell?
Monika Müller: Die Hospizbewegung muss sich wieder auf die Kraft des Anfängergeists besinnen. Die Betreuung sterbender Menschen darf nicht in Routinen, institutionellen Vorschriften oder starren Gesetzen versinken, sondern muss getragen sein von bei-leidender Mitmenschlichkeit. Eine Herausforderung ist der immer lauter werdende Ruf nach assistiertem Suizid, wobei sich Hospizbewegung und Palliativmedizin nicht als einziges suizidpräventives Potenzial verstehen dürfen.

Was kann die Hospiz- und Palliativarbeit im Gegensatz zur Suizidbeihilfe leisten?
Es geht darum, die unterschiedlichsten und sehr individuellen Ängste und Nöte der Menschen ernst zu nehmen und diese nicht pauschal und ausschließlich mit dem Hinweis auf hospizliche und palliative Versorgung zu beantworten. Wir brauchen die Stärkung und Finanzierung breiter suizidpräventiver Strukturen, wie die Einrichtung einer bundesweiten Informations-, Beratungs- und Koordinationsstelle.

Der Abschiedsschmerz ist heute ein Geschäftsmodell. Start-ups haben Programme entwickelt, die einen Teil der Person weiterleben lassen – als Avatar oder Sprachbot. Wird das unsere Art der Trauerbewältigung verändern?
Zunächst einmal: Trauerbewältigung ist in unseren Kreisen ein Unwort, weil bewältigen heißt, etwas gewaltsam unter Kontrolle zu bringen. Es geht darum, mit dem Verlust leben zu lernen, mit der Trauer einen Umgang zu finden. Dazu gehört, die Endgültigkeit des Todes des geliebten Menschen anzuerkennen und ihm einen anderen, verinnerten Platz im Leben zu geben.

Der Begriff Resilienz hat Hochkonjunktur. Kann man auch für die letzten Dinge im Leben eine Resilienz – quasi auf Vorrat – entwickeln?
Seit den 90er-Jahren boomt „Resilienz“. Längst haben Ratgeberautoren, Coaches, Lebensberater, Testentwickler, Therapeuten, Krankenkassen und viele andere das Thema für sich entdeckt und vermarkten es auf unterschiedliche Weise. Die Begeisterung für die Resilienz entspringt der Vorstellung, dass innere Widerstandskraft erlernbar sei und gegen jede psychische Belastung anzuwenden sei. Eine Krankenkasse spricht sogar von Resilienz als “dem Immunsystem der Seele“ und verspricht in einem Training könne diese gestärkt werden.
Und doch beobachten wir bei etlichen Menschen bestimmte Faktoren, die es ihnen ermöglichen, mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen, ohne daran zu zerbrechen. Ein solch erlebtes Duchstehen von Krisen fördert und sichert das Vertrauen, dass auch damit ein Altern, eine schwere Krankheit, ein Lebensende gelingen kann.

In Gardelegen sind ehrenamtliche Sterbebegleiter mit dem Projekt „Hospiz macht Schule“ im Klassenraum präsent. Warum sollte der Tod in der Schule "zu Besuch" sein?
Weil die jungen Menschen biografisch selber noch weit von dem Thema entfernt sind und es ganz anders aufnehmen und bearbeiten können als alte und schon kranke Menschen. Es sollte ein Schulfach oder Schulprojekt wie jedes andere sein, in dem sich die Schüler kognitiv, aber auch emotional mit dem Thema auseinandersetzen können.

Tipp: 12. Thüringer Hospiz- und Palliativtag, 7. September, Augustinerkirche Erfurt

 hospiz-thueringen.de

Autor:

Beatrix Heinrichs

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