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Pandemie
Mehr Suizidgedanken bei Jüngeren

Leere Straßen, kaum Möglichkeiten zur Begegnung: Viele Jugendliche leiden unter der Pandemie. | Foto: epd-bild/Guido Schiefer
  • Leere Straßen, kaum Möglichkeiten zur Begegnung: Viele Jugendliche leiden unter der Pandemie.
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Die Corona-Krise lässt die Zahl der Suizide leicht ansteigen, nachdem ihre Zahl zuvor jahrelang kontinuierlich gefallen war. Beratungsstellen sehen vor allem jüngere Menschen mit großen psychischen Problemen konfrontiert.

Von Rudolf Stumberger

Die Zahl der Selbsttötungen geht seit Jahrzehnten zurück: Nahmen sich 1980 noch 50 Personen pro Tag das Leben, sind es heute 25. In der Corona-Krise gab es allerdings einen leichten Anstieg. Im Jahr 2020 begingen nach Angaben des Statistischen Bundesamts 9.206 Menschen in Deutschland Suizid, im Jahr zuvor waren es 9.041 Menschen. Beratungsstellen wie die Münchner «Arche» registrierten einen erhöhten Hilfebedarf bei Kindern und Jugendlichen, während ältere Menschen bisher anscheinend besser durch die Krise kamen.

Die «Arche» in München führt ihre Arbeit auch in der Corona-Zeit in Präsenz fort. «Die meisten Menschen in Not möchten ein Gegenüber», erklärt Geschäftsführerin Heidi Graf. Außerdem bedürfe es für die Beurteilung, wie es den Hilfesuchenden gehe, aller fünf Sinne. «Am Telefon geht das nicht.»

«Bevorzugt eine Ratsuchende den persönlichen Kontakt, ist das natürlich besser, dieses Setting auch anbieten zu können», meint auch Jakob Henschel, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Mit Blick auf die pandemische Lage ergänzt er: Eine Einschätzung der Suizidgefahr und eine gute Begleitung von Betroffenen seien allerdings auch online oder über das Telefon möglich, sofern der Betroffene bereit sei, diese Kanäle zu nutzen.

Da viele Hilfseinrichtungen und Behörden während des Lockdowns die Pforten schlossen und auf Telefonberatung und Homeoffice umstiegen, sei die Hilfe der «Arche» umso mehr gefragt gewesen: «Wir haben sehr stark gemerkt, dass andere sich zurückgezogen hatten», erklärt Graf.

Die Münchner «Arche» wurde 1969 als «Zentrale für Selbstmordverhütung und Lebenshilfe e.V.» gegründet. Heute leisten dort elf hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Suizidprävention. Angeboten werden Beratung und Kurzzeitpsychotherapie für Menschen in Krisen und bei Suizidgefährdung, außerdem Hilfe für Angehörige und Hinterbliebene nach einem Suizid. Jedes Jahr wenden sich an die 1.300 Hilfesuchende an die «Arche». Bundesweit existieren 30 bis 40 spezifische Vor-Ort-Beratungsstellen für suizidgefährdete Menschen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.

In der Corona-Krise verlief die Arbeit der «Arche» in Wellen, sagt Heidi Graf. In den ersten Monaten ab März 2020 habe die Einrichtung einen starken Rückzug bemerkt, es seien weniger Hilfesuchende als üblich gekommen. Der Beratungsbedarf stieg dann allerdings zum Jahresende stark an, als erneut ein Lockdown verhängt wurde.

«Es waren vor allem Kinder und Jugendliche, denen die Corona-Krise zu schaffen machte», sagt Graf. «Denn alles war ja komplett zu.» In Schule und Sport seien die Bezugspersonen weggefallen, viele Jugendliche dachten, «ich mag nicht mehr». Auch Studienanfänger, die gerade von zu Hause ausgezogen waren, litten unter der Vereinsamung: keine Treffen mit Freunden, kein Präsenz-Unterricht an der Uni, stattdessen alleine vor dem Bildschirm. Diese jungen Menschen seien verstärkt in die Beratungsstelle gekommen. «Am besten haben die Krise die Älteren bewältigt», sagt die Arche-Geschäftsführerin.

Dass Corona deutliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat, machen auch Zahlen aus der Schweiz deutlich. Dort zeigt eine Studie der Hilfsorganisation Pro Juventute, dass Beratungen wegen Suizidgedanken von Kindern und Jugendlichen im ersten Halbjahr 2021 gegenüber 2020 um 40 Prozent zugenommen haben. Stark zugenommen haben demnach auch Beratungen zu Themen wie «Einsamkeit», «Freunde verlieren» oder «Psychische Gesundheit». Die psychische Belastung durch die Pandemie zeige sich in Angstzuständen, depressiven Symptomen, Schlaf- und Appetitstörungen, heißt es in der Studie.  (epd)

Autor:

Katja Schmidtke

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