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Umwelt
Mit Sole, Bier und Brennnesseln

Seife aus natürlichen Rohstoffen | Foto: epd-bild/Ralf Krein
  • Seife aus natürlichen Rohstoffen
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  • hochgeladen von Katja Schmidtke

Feste Seife mit natürlichen Zutaten und ohne Plastikverpackung liegt im Trend. Kleine Hersteller mischen Seife nach kreativen Rezepten an. Von Kaffee und Bier bis zu Moor und Salz ist - fast - alles dabei.

Von Detlev Brockes (epd)

Tanja Claußen steht in ihrer Werkstatt am Herd. In einem Kochtopf schmelzen Kokosfett und Sheabutter, vermischt mit Oliven- und Rapsöl. Gleich wird sie eine Portion Natronlauge zufügen und die Mischung mit dem Stabmixer «auf Tempo» bringen. Weil die Lauge ätzend ist, trägt Claußen Kittel und Schutzbrille und hat dünne Handschuhe übergestreift. Das sieht schwer nach Chemie-Labor aus. Doch die Schutzkleidung ist nur vorübergehend nötig. Was hier entsteht, pflegt schon bald die Haut: handgemachte Lavendelseife aus natürlichen Zutaten.

Tanja Claußens «Seifenkunst» in Bad Nenndorf ist eine von zahlreichen Manufakturen in Deutschland: kleine Betriebe, die sich mit kreativen Ideen der Herstellung von fester Seife aus natürlichen Zutaten verschrieben haben. Und die auf üppige Kunststoff-Verpackung verzichten können, wie sie bei Flüssig-Produkten üblich ist.

Die Masse im Topf ist inzwischen zu einem gelblichen Gel geworden. Tanja Claußen fügt Lavendelöl hinzu und gießt eine Hälfte in eine längliche rechteckige Form. Die andere Hälfte wird mit mineralischem Farbstoff vermischt, dann fließt auch dieser Teil in die Form. Anschließend zieht die Seifen-Handwerkerin einen Spatel durchs nun gelb-graue Gemisch, das sorgt später fürs marmorierte Aussehen.

Der Rest ist Warten: Nach 24 Stunden kann Claußen den hart gewordenen Seifenblock aus der Form nehmen und in rund 20 Stücke schneiden. Dann beginnt eine Ruhephase von 40 Tagen: «Die Seife braucht Zeit zum Reifen, das ist wie bei Käse oder Wein», erklärt die 50-Jährige. Der pH-Wert sinkt, die Seife wird milder und überhaupt erst verwendbar für die Haut. Der Duft verstärkt sich, die graue Farbe wird zu violett. Alles nur Chemie - «und doch jedes Mal ein Wunder», schwärmt Claußen.

Die handgemachten Stücke liegen im Trend. «Feste Seife kommt mit wenig Verpackung aus und enthält selten Problemstoffe. Wohl auch deswegen erlebt das Kosmetikprodukt zurzeit ein Comeback», schreibt etwa das Magazin «Ökotest». Aus hygienischen Gründen gebe es keine Bedenken, im eigenen Haushalt Stückseife zu nutzen.

Auch die Krankenkasse AOK stellt fest: «Das gute alte Stück Seife hat in puncto Nachhaltigkeit Vorteile gegenüber der flüssigen Variante.» Die natürlichen Inhaltsstoffe, womöglich sogar aus Bio-Anbau, seien in der Regel gut biologisch abbaubar. Auch für die Haut seien Seifenstücke oft vorteilhafter.

Für alle Seifen, auch die handgemachten aus kleinen Betrieben, gilt die EU-Kosmetik-Verordnung. «Ein unabhängiges Labor erstellt für jedes Seifenrezept eine Sicherheitsbewertung», erklärt Herstellerin Tanja Claußen. Ab dann sei es mit der Kreativität vorbei. «Wenn ich den Anteil der Inhaltsstoffe verändere oder einen anderen Duft zufüge, ist das ein neues Rezept, das dann wieder geprüft werden muss.» Auch für die Angaben auf dem Etikett - von Allergenen über die Mindesthaltbarkeit bis zur Chargennummer - gelten zahlreiche Vorschriften.

Ungewöhnliche Zutaten verwendet die Seifenmanufaktur St. Annen in Melle bei Osnabrück. «Ich liebe es, wenn das Telefon klingelt und jemand kommt mit einer Idee», erzählt Unternehmerin Britta Heidland.
So sei mit der Uni Osnabrück jüngst eine Seife mit «Campusbier» entstanden.

St. Annen startete 2004 auf sechs Quadratmetern und mit dem Selbstverständnis als «Kosmetik-Guerilla». Wichtigster Antrieb: der Verzicht auf Plastik. Daraus wurde ein professioneller Betrieb mit stattlicher Jahresproduktion: 150.000 Stück Seife und mehr als 50.000 weitere feste Kosmetikprodukte waren es 2021 - weiterhin in Handarbeit, betont Heidland.

Auf die Nähe zum Meer setzt die Manufaktur Care in Aurich. «Unsere
Salz- und Thalasso-Seifen sind sehr gefragt», sagt Inhaberin Lisa Kutschker, die 2005 mit einer Sanddorn-Seife anfing. Inzwischen sind zahlreiche Sorten mit maritimen Namen wie «Ebbe und Flut», «Strandgut» oder «Küsten-Sturm» im Programm.

Tanja Claußen von «Seifenkunst» hat auch schon Kaffee und Brennnesseln verarbeitet. Sie verwendet ausschließlich pflanzliche Fette und Öle, die Seifen sind also vegetarisch, die meisten auch vegan. «Das wird verstärkt nachgefragt», sagt die gelernte Bankkauffrau, die in einer Versicherung tätig war, bevor sie ins Geschäft mit Naturseife einstieg.

Neben Nachhaltigkeit werde Regionalität immer wichtiger, unterstreicht Claußen. So arbeitet sie seit etlichen Jahren mit den niedersächsischen Staatsbädern Nenndorf und Pyrmont zusammen. Für beide hat sie eigene Kreationen entwickelt, etwa Seife mit Sole und Schwefel. Auch ein regionales Produkt in Grau-Schwarz ist im Angebot: Claußen verwendet für die Seife Moor aus der Gegend, wie es im Heilbad zum Einsatz kommt.

Autor:

Katja Schmidtke

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