Gießroboter für den Friedhof
Nachts kommt der «Wasserwilli»
Wer ein Grab pflegt, weiß, wie viel Arbeit das Gießen macht - besonders in den trockenen Sommern der vergangenen Jahre. Ein fränkischer Tüftler hat einen Gießroboter für Friedhöfe erfunden.
Von Thomas Tjiang
Die Idee kam dem fränkischen Gartenbaumeister und Tüftler Heino Schwarz per Zufall, den Nutzen sah er gleich vor sich: Statt tagsüber mit Handwagen oder Dieseltraktor das Wasser zu den betreuten Gräbern zum Gießen zu bringen, könnte nachts ein Gießroboter mit einem «fast lautlosen Elektromotor» die Aufgabe übernehmen. Nächtliches Gießen störe keine Friedhofsbesucher, sei grundsätzlich wesentlich leiser und spare rund ein Viertel des üblichen Wasserverbrauchs: «Das ist alles wesentlich umweltfreundlicher», sagt Schwarz.
Der Gießroboter surrt bei freier Fahrt ohne Hindernisse links und rechts mit 3,5 Stundenkilometern durch die Nacht. Mit einer intern erfassten Landkarte eines Friedhofs kann er die vorher bestimmten Gräber ansteuern. 200 Liter Wasser passen in den Tank, damit werden die Blumen mit einer programmierter Menge gegossen. Dann geht es zurück zur automatischen Auffüllstation, und die nächste Tour kann beginnen.
So lasse sich auch eine Menge Arbeitskraft einsparen, sagt Schwarz. Allein für das Gießen der rund 200 von ihm betreuten Gräber auf dem Waldfriedhof im fränkischen Schwabach fallen rund 1.200 bis 1.400 Arbeitsstunden im Jahr an. Durch den «Wasserwilli» würden Mitarbeiter entlastet und könnten für andere Aufgaben besser eingesetzt werden, erklärt der Gärtner. Das Bundeslandwirtschaftsministerium zeichnete den Roboter mit dem «Deutschen Innovationspreis Gartenbau 2020» aus.
Gebaut wird der Wasserwilli von der oberpfälzischen IT-Firma Innok-Robotics, die den Gießroboter unter dem Namen Rainos fertigt. Auf dem kirchlichen Friedhof in Hamburg-Rahlstedt, der nach eigenen Angaben klimaneutral arbeitet, läuft seit diesem Sommer ein Testbetrieb. Der Roboter soll 450 der 2.500 Grabstellen gießen. «Wir haben nur positive Rückmeldungen», sagt Friedhofsleiter Matthias Habel.
Gebraucht werde die Unterstützung beim Gießen dringend: «Wir erleben seit drei Jahren eine steigende Nachfrage nach dem Service des Gräbergießens.» Habel ist sich sicher: «Es ist eindeutig die Klimakatastrophe, die sich abzeichnet.» Die Zahl der Tage, an denen gegossen werden müsse, sei in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich hoch gewesen.
«Wenn das alles unsere Mitarbeiter machen, bleibt ihnen zu wenig Zeit für die übrigen Arbeiten bei der Grabpflege». 65 Euro kostet es, nur das Gießen für ein Jahr zu buchen. Der Roboter, sagt Habel, «ermöglicht es uns, das Gießen anzubieten, ohne die Preise irgendwann ins Absurde steigen zu lassen.» Arbeitsplätze gingen dadurch nicht verloren.
In Pforzheim hat die Friedhofsgärtnerei Hilligardt vor wenigen Monaten einen Rainos gekauft, um die Pflege von rund 3.000 Grabstätten auf dem 40 Hektar großen Friedhofsareal zu vereinfachen. Der Roboter werde zurzeit für den Friedhof programmiert und solle ab dem nächsten Frühjahr regelmäßig laufen, sagt Juniorchef Georg Hilligardt. Wenn er jetzt tagsüber probehalber zwischen den Gräbern unterwegs sei, seien viele Friedhofsbesucher fasziniert, einige liefen hinter dem Roboter her und beobachteten ihn bei der Arbeit: «Besonders ältere Menschen finden das interessant und spannend.»
In Schwabach allerdings steht für den Wasserwilli die Ampel auf Rot. Zwar lief im vergangenen Jahr bereits ein Probebetrieb. Allerdings lehnte der Stadtrat einen Regelbetrieb ab. Der Gießroboter habe keine TÜV-Zulassung für öffentliche Flächen, so dass die Regelung von Haftungsfragen schwierig sei. Bedenken gelten unter anderem auch dem Natur- und Umweltschutz. Weil der Sensor des Gießroboters Hindernisse am Boden nicht erfasst, könnten theoretisch Igel überrollt werden.
Er habe sich anhören müssen, dass er mit seiner Innovation den Friedhof verschandele und die Würde des Ortes verletze, sagt Schwarz. Für ihn sei die Diskussion über die «Ethik am Friedhof vorgeschoben». Unterstützung erhält der Gärtner vom Schwabacher Pfarrer Paul Zellfelder: «So ein Argument ist fast schon scheinheilig», konstatiert dieser mit Blick auf Bagger und Traktoren, die üblicherweise tagsüber auf dem Waldfriedhof der Stadt unterwegs sind.
Daher könne man «nicht pauschal von der Störung der Totenruhe sprechen», sagt der Pfarrer, der sich aber nicht in den lokalen Streit einmischen will. Gerade weil der Roboter leiser sei, keinen Gestank verursache und nachts unterwegs sei, finde er die Lösung aber grundsätzlich besser als die bisherigen Fahrzeuge. Matthias Habel in Rahlstedt zumindest sagt: «Wenn der Roboter nächsten Sommer seine 450 Grabstellen schafft, kriegt er sicher bald Geschwister.»
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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