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Folge 4 – 1930 und 1931
Die Lüge, die Bibel und die Bauern

Wenn Landesoberpfarrer Reichardt in seinem Neujahrswort 1931 von den Erfolgen des zehnjährigen Bestehens der Thüringer Kirche spricht, so ist doch nicht zu übersehen, wie diese Kirche in den Strudel der politischen Veränderungen gerät.

Von Dietlind Steinhöfel

Folge 4 – 1930 und 1931Im Januar 1930 war eine neue Landesregierung in Thüringen gewählt worden. "Zum ersten Mal sind Nationalsozialisten Mitglied der Regierung eines deutschen Staates geworden", schreibt die Kirchenzeitung.

Die wachsende Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Armut, die immer wieder in "Glaube und Heimat" thematisiert wird, trägt zum Erstarken der NSDAP bei. Berichtet die Kirchenzeitung 1930 von über zwei Millionen Arbeitslosen, so wächst diese Zahl bis Ende 1931 auf über 4,3 Millionen an. Vor allem der Thüringer Wald ist betroffen. Die Kirche ruft in der Adventszeit 1931 zur Spendensammlung für die notleidenden Waldgemeinden auf.

Alle müssen sparen, auch die Kirche. So beschließt der Landeskirchenrat 1930 ein Gesetz, nach dem Pfarrer nicht mit 65, sondern erst mit 68 Jahren in den Ruhestand gehen können.

Die Kirchenzeitung verfolgt ebenso die Entwicklung der Reparationszahlungen. 1929 wurde der sogenannte Young-Plan in Paris erarbeitet und Anfang 1930 die endgültige Formulierung in Den Haag verabschiedet. Im Zusammenhang mit der Not in Deutschland und den hohen Reparationsleistungen spricht auch die Kirchenzeitung von "Kriegsschuldlüge", durch die "das deutsche Volk zum Verbrecher unter den Völkern der Erde gestempelt" würde (Nr. 46/1931).

Eine brisante Diskussion wird im September 1930 entfacht: Wie stellt sich die Kirche zum Alten Testament? Auch wenn die meisten das biblische Buch nicht ablehnen, so sind doch versteckt oder offen antisemitische Tendenzen zu beobachten, wenn zum Beispiel vom "jüdischen Buch" die Rede ist oder eine Lehrerin schreibt: "Das Neue Testament ist die Erfüllung des Alten: Als Christin kann ich vom Alten Testament nicht los (…) Aber: Es ist Ausdruck des jüdischen Geistes (…) Als Erzieherin und Deutsche will ich nichts von ihm wissen." Der politische Ton in Deutschland wird rauer.

Die Kirchenleitung erlässt 1931 ein Verbot von parteipolitischer Stellungnahme auf der Kanzel und bei Gesprächen in der Gemeinde.
 
Ein großes Thema ist weiterhin die Christenverfolgung in Russland, von der der Gustav-Adolf-Verein berichtet. Viele Bauern fliehen. "Die Bolschewisten zerstören uns die Kirchen und rauben uns den Glauben, sie vernichten unsere Bauernwirtschaft und treiben uns in den Hungertod, sie verführen unsere Kinder und zerstören unser Familienleben." In Odessa wird ein evangelischer Pfarrer verurteilt.

Fundstücke
Jubiläum:
Im Jahr 1930 jährt sich das Augsburger Bekenntnis zum 400. Mal. Mehrere Ausgaben der Kirchenzeitung befassen sich mit seiner Geschichte.
Zitat: "Es ist nicht so einfach möglich, etwa den Nationalsozialismus als unchristlich oder den Pazifismus als unnational abzulehnen."
Alkohol: Damit Konfirmationen auch ohne Alkohol gefeiert werden können, veröffentlicht die Kirchenzeitung Rezepte für alkoholfreie Getränke.
Mauersberger: 1930 wird der Thüringer Landesmusikwart Rudolf Mauersberger aus 120 Bewerbern ausgewählt und als Kantor an die Kreuzkirche nach Dresden berufen.

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Autor:

Online-Redaktion

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