Folge 25 – 1972 und 1973
Ein heißes Eisen: die Fristenregelung
Das Jahr 1972 beginnt mit einem Paukenschlag für die Menschen in der DDR: Das Politbüro und der Ministerrat beschlossen am 23. Dezember 1971 die sogenannte Fristenlösung bei Schwangerschaft.
Von Dietlind Steinhöfel
Diese erlaubte der Frau, vor Ablauf der ersten drei Monate selbst zu entscheiden, ob sie das Kind bekommen möchte. Die evangelischen Bischöfe der DDR weisen in einem Brief an die Gemeinden vom Januar 1972 darauf hin, dass für den christlichen Glauben die auf göttlichem Gebot gründende Verantwortung und Ehrfurcht gegenüber dem Leben von besonderer Bedeutung sei: "Gott hat uns mit der Fähigkeit, neues Leben zu zeugen, zugleich die Verantwortung für neues Leben übergeben. Auch keimendes Leben ist nicht unser Eigentum, sondern selbständiges, von Gott uns anvertrautes Leben", heißt es.
Der Abbruch der Schwangerschaft sei von christlicher Überzeugung her kein möglicher Weg, auch wenn sie Verständnis äußern, dass Frauen durch eine ungewollte Schwangerschaft in große persönliche Nöte geraten können. Der Staat gebe zwar die Freiheit, diese könne jedoch auch missbraucht werden. Die Kirche kann zwar staatliche Verordnungen nicht abändern. Dennoch wird die christliche Gemeinde aufgefordert, hier praktische Seelsorge und Lebenshilfe zu leisten. Bei Gesprächen in den Gemeinden solle sich darauf konzentriert werden, was diese Regelung für Christen bedeute. "Wir können schuldig werden an den Menschen und vor Gott, auch wenn kein Staatsanwalt danach fragt."
Ein weiteres Thema zieht sich durch die beiden Jahre: Die Sicherung des Friedens. Die Konferenz der Kirchenleitungen richtet ein "Referat für Friedensfragen" ein, denn, so die Begründung, "Christuszeugnis ist immer auch Friedenszeugnis". Auf einem Treffen der Christlichen Friedenskonferenz in Prag wird zum wiederholten Male angeprangert, dass ungeheure Summen für Rüstung ausgegeben werden, die zur Linderung des Hungers in der Welt eingesetzt werden könnten.
Die Kirchen beobachten ebenso den "Weltkongreß der Friedenskräfte" Ende Oktober 1973 in Moskau, wo Menschen aus allen Kontinenten miteinander beraten. Es geht um konkrete Schritte zum Weltfrieden und um Abrüstung.
Ausführlich berichtet "Glaube und Heimat" zudem über die Gespräche und Entscheidungen auf dem Weg zur Einheit der Kirchen der Reformation (Leuenberger Konkordie). Im Juni 1972 beraten die evangelischen Bischöfe der DDR über die "Konkordie" und reichen Änderungsvorschläge ein. Auch andere Gremien befassen sich mit dem Entwurf. Die Arbeiten am Entwurf gehen bis ins Jahr 1973.
Als die endgültige Fassung vorlegt, trifft die Thüringer Kirche auf ihrer Herbstsynode 1973 die wichtige Entscheidung, der Leuenberger Konkordie beizutreten. Ganz praktisch bedeutet das: Alle europäischen Kirchen der Reformation halten Gemeinschaft, erkennen Amt und Sakrament gegenseitig an und feiern gemeinsam Abendmahl.
Fundstücke
Weltkirchenrat: Erstmals wird mit Philip Potter ein Repräsentant der sogenannten Dritten Welt an die Spitze des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gewählt (August 1972). In einem Interview äußert sich der neue Generalsekretär: Die Trennung des Evangeliums vom aktiven Handeln in der Gesellschaft sei die größte Irrlehre der Christenheit.
Jugendfest: Erstmals feiert die Thüringer Landeskirche im Juni 1973 einen Landesjugendsonntag, zu dem sich rund 5000 Jugendliche auf dem Hainstein in Eisenach einfinden.
Weltfestspiele: Zu den X. Weltfestspielen der Jugend in Berlin 1973 bietet die Kirche Gottesdienste an, an denen zahlreiche junge Leute teilnehmen. Zum ökumenischen Jugendgottesdienst mit Bischof Albrecht Schönherr ist die Marienkirche überfüllt.
Konsequent: Der Lutherische Weltbund bricht jeglichen Kontakt mit Geldinstituten ab, die dazu beitragen, die Situation der Nichtweißen im südlichen Afrika zu verschlechtern. Diesen Beschluss seines Exekutivausschusses schickte er an zwölf Banken.
Autor:Online-Redaktion |
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