Folge 21 – 1964 und 1965
Warum die Bibel nicht in den Schrank gehört
Im Neujahrswort macht Landesbischof Moritz Mitzenheim den Christen in der DDR Mut zum Bekenntnis und zur Standhaftigkeit. "Die Umwelt wartet auf das Zeugnis der Christen. Laßt euch durch nichts beirren. Macht Gebrauch von eurem Recht auf Glaubensfreiheit."
Von Dietlind Steinhöfel
Immer wieder berichtet die Kirchenzeitung von Treffen mit Verantwortlichen des Staates. Thüringen habe, so Mitzenheim, eine lange Grenze zum westlichen Teil Deutschlands. Deshalb spüre er besonders deutlich die Trennung. Es sei seine Aufgabe, in Härtefällen einzutreten und der Menschlichkeit Rechnung zu tragen.
Solche Ziele verfolgt auch ein Treffen des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbrichts mit dem Landesbischof am 18. August 1964 auf der Wartburg. Mitzenheim benutzt die Gelegenheit, "einzelne menschliche und kirchliche Probleme" vorzutragen. Anfang September übergibt der Staatsekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, dem Landesbischof einen Brief von Ulbricht, in dem verkündet wird, dass Rentner die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Verwandten im Westen zu besuchen.
Die Gefährdung des Friedens beschäftigt die Menschen. "Laßt die Hände von den Atomwaffen" überschreibt "Glaube und Heimat" einen Artikel über eine Ansprache Mitzenheims. In NATO-Kreisen wird darüber nachgedacht, an der Grenze Atomminen einzusetzen, um einen Einmarsch sowjetischer Truppen zu verhindern. Kirchenführer des Ostens wie des Westens heben warnend ihre Stimme.
Im Fokus stehen zudem zahlreiche theologische und gemeindliche Frage, wie der Umgang mit getauften, aber nicht konfirmierten Menschen. "Ohne Taufe kann man nicht Christ sein, ohne Konfirmation nicht bleiben."
Um das Reformationsfest 1965 gibt das Altenburger Bibelwerk eine revidierte Lutherbibel heraus. Die Bibel solle Kraftquell des christlichen Lebens sein, mahnt der Thüringer Landesbischof. Werner Peters, der die revidierte Bibel in der Kirchenzeitung ankündigt, schreibt: "Die Bibel gehört nicht in den Schrank, sondern auf deinen Lesetisch als Buch für dein Leben, sie gehört in deine Hand!" Es wird beklagt, wie wenig die Heilige Schrift wirklich gelesen wird.
Die Jugend kommt immer wieder zu Wort, sei es anlässlich des Landesjugendsonntags 1964 oder in der Diskussion über moderne Musik. "Muß die Kirchenmusik von früher sein?", fragt die Junge Gemeinde. Zudem fordert sie mehr Mitspracherecht.
In der Thüringer Synode ist die "Theologinnenfrage" auf dem Programm. Im Frühjahr wird eine Kommission beauftragt, ein "befriedigendes Berufsbild der Theologinnen" zu entwerfen.
Die Herbstsynode 1964 stimmt einem Pastorinnengesetz zu. Im Frühjahr danach kommt ein "Gesetz zur Einrichtung von Pastorinnenstellen". Es wird jedoch betont, dass das Arbeitsgebiet der Pastorin in keinem Falle dem Dienst des Gemeindepfarrers entspricht.
Fundstücke
Kritisch: Die Kirchenzeitung berichtet über den Besuch eines indischen Theologen, der vor einer Gemeinde predigte und seine Erfahrung beschrieb: "Die Leute wollen gar nicht meine Predigt; auf die hören sie überhaupt nicht. Sie wollen nur meine braune Haut sehen und meine fremden Lieder hören – was sind das für Menschen und Christen?"
Geburtstag: Der 90. Geburtstag Albert Schweitzers (14. Januar 1965) wird mit ausführlichen Beiträgen in "Glaube und Heimat" gefeiert.
Kindertaufe: In Berlin-Brandenburg steht die Frage der Kindertaufe auf dem Synodenprogramm. An ihr, so der Beschluss, solle festgehalten werden. "Wenn jemand Kinder grundsätzlich nicht tauft, kann er nicht Pfarrer der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg sein."
Konzil: Das II. Vatikanische Konzil liefert auch nach der dritten Sitzungsperiode 1964 keinen Durchbruch. Die nichtkatholischen Stimmen äußern ihre Enttäuschung, dass es keine Abstimmung zum Thema Religionsfreiheit gab. Positiv bewertet wird, dass andere Kirchen als solche auch anerkannt werden.
Autor:Online-Redaktion |
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