»Ein Bild von einem Mann«
Buch: Was Jugendliche über Martin Luther sagen
Jugendliche sehen in Martin Luther mehr einen Helden als einen Menschen und wissen nur wenig über die problematischen Seiten seines Lebens. Zu diesem Ergebnis kommt die Theologin Sabine Blaszcyk. Sie hat im Auftrag der Forschungsstelle für religiöse Kommunikations- und Lernprozesse an der halleschen Martin-Luther-Universität Schülerinnen und Schüler nach ihrer Meinung über Luther befragt. Die Ergebnisse der qualitativen Studie sind in der Reihe »Anhalt[Er]kenntnisse« der Landeskirche Anhalts unter dem Titel »Martin Luther – ein Bild von einem Mann« erschienen. In Interviews gaben acht Mädchen und Jungen der achten Klassen aus Leuna, Köthen, Zerbst und Dessau-Roßlau darüber Auskunft, welche Bedeutung Luther in ihrem Leben hat. Sie erzählten auch, wie die vielfältige Präsenz des Reformators in der Öffentlichkeit bei ihnen ankommt. Obgleich alle Schülerinnen und Schüler am Religionsunterricht teilnehmen, sind einige von ihnen konfessionslos.
Angestoßen wurde das Projekt von Professor Michael Domsgen, Leiter der Forschungsstelle für religiöse Kommunikations- und Lernprozesse an der Theologischen Fakultät der Universität Halle. In einem weiteren Beitrag des Buches zieht Kirchenpräsident Joachim Liebig praktische Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Interviews.
»Am Reformationstag, im Unterricht und mit Blick auf die Geschichte erinnern sich die befragten Jugendlichen freundlich an Luther und sehen in ihm einen wichtigen Impulsgeber seiner Zeit,« schreibt Sabine Blaszcyk, die viele Jahre als Pfarrerin und Religionslehrerin unter anderem in Zerbst arbeitete. Aktuell ist sie am Pädagogisch-Theologischen Institut in Neudietendorf tätig. Auffällig sei, dass vor allem die Ereignisse zwischen 1517 und 1521, also zwischen Luthers Thesenschlag in Wittenberg und der Flucht auf die Wartburg, bei Jugendlichen bekannt seien. Luther werde von ihnen als Mensch mit hohem Verantwortungsbewusstsein wahrgenommen, als Fürsprecher für religiöse Toleranz und »als junger und sympathischer Reformator im Konflikt mit den Mächtigen«.
Die Schwächen Martin Luthers, etwa seine zwiespältige Einstellung zum Bauernkrieg, seine Intoleranz gegenüber Juden und auch viele rein menschliche Aspekte seien hingegen wenig bekannt. »Für Jugendliche ist er mehr ein strahlender Held seiner Zeit, fast ohne Bedeutung für das Hier und Heute der Heranwachsenden.« Religionspädagogisch sei aber schon lange bekannt, dass vor allem kritisch gebrochene Vorbilder für das Leben von Jugendlichen relevant werden könnten, so Blaszcyk. Sie folgert aus den Reaktionen der Jugendlichen, dass im Religionsunter-
richt andere Seiten Luthers in den Mittelpunkt rücken müssten und gibt dazu religionspädagogische Anregungen. Kirchenpräsident Liebig betont in seinem Text, Luther als Vorbild müsse seiner heroischen Dimension entkleidet werden, damit Jugendliche auch das eigene Tun realistischer bewerten könnten.(G+H)
Sabine Blaszcyk/Joachim Liebig: Martin Luther – ein Bild von einem Mann. 108 S.,
8,90 Euro. Bezug: Ev. Buchhandlung Dessau, Telefon (03 40) 2 20 26 46
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