Freitag, vor eins...
Unsere Seite 1 - Leiden in der lieben Stadt
Auf den Tag genau vor 500 Jahren erwachte er in der gleichen Stadt wie ich. Ich hoffe, mit ebenso freundlichem Sonnenschein, denn seine Laune war wohl weniger gut.
Martin Luthers Weg zum Reichstag nach Worms führte einmal quer durch Mitteldeutschland. In seiner "lieben Stadt", wie er Eisenach selbst nannte, holten ihn einmal mehr seine körperlichen Leiden ein. Er erkrankte so schwer an einer „gähligen und heftigen“ Krankheit, dass man um sein Leben fürchtete. Außerdem quälten ihn schwere Verstopfungen. Er muss sehr geschwächt gewesen sein, ein Arzt wurde konsultiert und er wurde zur Ader gelassen. Das sollte dazu dienen dem Körper schädliche oder überschüssige Körpersäfte zu entziehen und nur die guten Säfte im Menschen zu lassen. Die Entnahme von bis zu 1000 Millilitern Blut brachte es damals nicht selten mit sich, dass der Körper geschwächt wurde, so wohl auch bei Luther.
Die Tour, die er damals von Wittenberg nach Worms zu absolvieren hatte, war eng getaktet. Am 2. April, Dienstag nach Ostern, startete er. Drei Tage später war er in Weimar, am 6. dann in Erfurt, am 7. in Gotha, am in 8. Eisenach. Und es galt nicht nur vorwärts zu kommen, sondern auch noch zu predigen. In Erfurt etwa hielt Luther am Morgen in der völlig überfüllten Augustinerkirche eine Predigt. Die Kirche war so voll, dass die Empore unter dem Gewicht der Menschen zusammen zu brechen drohte. In Panik hatten sogar einige schon Fenster eingeschlagen, um sich zu retten. Kuriose Szenen. Zum Glück passierte nichts weiter.
Die Reise Luthers von Wittenberg nach Worms begleitet die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau schon seit einiger Zeit mit dem Projekt „Ich, Luther“. Vikar Kristian Goletz berichtet dabei als Luther in einem Videotagebuch von wichtigen Stationen vor und während der Reise.
Von Eisenach aus hatte Luther noch eine Woche vor sich, bis er in Worms ankam und am 17 und 18. April vor den Kaiser trat. Ich hoffe sehr, dass er und seine Begleiter besseres Wetter hatte als wir in den vergangenen Tagen. Vier Jahreszeiten an einem Tag, von Schnee bis strahlendem Sonnenschein alles dabei, und Temperaturen zwischen minus 4 und 14 grad sind nun nicht gerade die idealen Umstände, die man sich für eine zweiwöchige Reise wünscht.
In Worms sollte es in der kommenden Woche einen Festakt zu dem Ereignis vor 500 Jahren geben. Aus bekannten Gründen musste die umfangreiche Jubiläumsveranstaltungen mehrfach grundlegend umgeplant werden. Nun soll es eine aufwendige Multimedia-Inszenierung unter dem Titel «Der Luthermoment» am Abend des 17. April ohne Zuschauer geben, übertragen im SWR-Fernsehen. Groß gefeiert werden sollte auch hier in Eisenach Luthers Ankunft auf der Wartburg am 4. Mai und der Beginn seiner Arbeiten am Neuen Testament. Zumindest tröstet man sich hier damit, dass die Übersetzung ja erst 2022 fertig wurde und dass dann hoffentlich wieder gefeiert werden darf. Wir dürfen gespannt sein.
Auch in der aktuellen Ausgabe Ihrer Kirchenzeitung ist Luther natürlich ein Thema. Wir wünschen gute Lektüre!
Unsere Themen:
- Gerechtigkeit für Pflegekräfte: Ausgerechnet an den christlichen Wohlfahrtsverbänden ist eine bessere Bezahlung von Beschäftigten in der Altenpflege gescheitert.
- Zuhause am Tisch des Herrn: Das Hausabendmahl bekommt in der Pandemie eine neue Relevanz.
- Zwischen Pest und Corona: Die Pandemie trifft das kulturelle Leben der Lutherstadt Wittenberg hart.
Außerdem:
- Schuhe schnüren und los: Der Thüringer Tälerpilgerweg startet in eine neue Saison.
- Gewand an und los: Michael Schicketanz startet in die letzte Saison als Stadtführer im Outfit von Philipp Melanchthon.
- Zwischen zwei Welten: Der Japaner Toshiki Toma lebt seit Jahren in Island und ist als Pastor in Reykjavik für Asylsuchende da.
Autor:Mirjam Petermann |
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