Freitags vor 1
Seht, die stille Zeit ist nah’
Während ich diese Zeilen schreibe, ist es laut. Um mich herum, da tobt das Leben.
Ich sitze an einem kleinen Holztisch in einem Café in der Erfurter Innenstadt. An der Fensterfront vor mir sind zwei Studentinnen, ihre Terminplaner liegen aufgeklappt. Eifrig scheinen sie irgendwelche Dinge zu besprechen. Zwei reifere Damen haben am Nachbartisch Platz genommen und machen Handyfotos von den Herzchen, welche die Barista mit Schaum auf ihren Kaffee gezaubert hat.
Es fühlt sich, noch einmal, so herrlich normal an. Sieht man einmal von den maskentragenden Menschen vor dem Fenster und am Tresen ab, so könnte das ein ganz normaler Herbsttag in einem ganz normalen Jahr sein. Ist es aber nicht.
Im Gegenteil: Es ist einer der letzten mich halbwegs entspannenden Tage. Und das gilt für viele. Denn ab der kommenden Woche wird die neue Normalität wieder vorbei sein. Wir alle gehen zurück in einen Lockdown. Das öffentliche Leben kann, soll und wird weitestgehend heruntergefahren. Besonders hart wird es die Kulturstätten treffen. Theater, Kinos und Opernhäuser bleiben zu, nicht einmal Open-Air-Konzerte oder Kabaretts unter freiem Himmel sind in diesen Tagen möglich. Getroffen davon sind auch die Gaststätten, Restaurants, Cafés und Kneipen. Viele von ihnen hatten bereits mit der Frühjahrsschließung arg zu kämpfen. Nun werden sie wieder zur Zwangspause gebeten. Dann, bald schon, wird sich wieder nichts mehr normal anfühlen. Dann wird es still werden, in den Straßen und Gassen der Stadt. Und Rilkes Herbsttag bekommt eine traurige, fast schon postprophetisch anmutende Intention, wenn der schreibt:
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Es ist die stille Zeit, die in diesen Tagen über uns hereinbricht. Eine, die in der Pandemie begründet liegt und die zweifelsohne ihre tragischen Auswirkungen haben wird. Denn es ist gewiss, dass die Zahl der Einsamen steigen wird; die der Geschäftsinsolvenzen auch. Es steht ganz außer Frage, dass viele sich zu flüchten versuchen. Besonders jetzt, wenn die Tage wieder sehr kurz sind und meist von Regen und Kälte gezeichnet werden, wird der in dieser Woche angekündigte Lockdown die Zeit noch ungemütlicher machen.
Umso wichtiger ist es da, guten Lesestoff zur Hand zu haben. Die Redaktion Ihrer Kirchenzeitung verspricht Ihnen hiermit ganz offiziell, das Bestmögliche dafür zu tun.
Und schon jetzt, als hätten wir es geahnt (haben wir ausdrücklich NICHT) haben wir sogar noch einmal ein besonderes Schmankerl für Sie bereitgelegt. Unter dem Titel Glaube+Heimat - Geschichten eines Kirchenjahres
finden Sie eine Beilage als Zusammenstellung, ausgewählter und ganz besonders lesenswerter Texte aus unserer Zeitung. Darin können Sie etwa noch einmal finden, wie das eigentlich war, mit der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten (aus christlicher Perspektive), mit Wunden und Wunder werfen wir noch einmal einen Blick auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 und selbstverständlich ist auch das Herbstthema schlechthin dabei: Geschichten vom Apfelbaum - und der Dankbarkeit.
Wir wünschen - mit Beilage und unserer Zeitung selbst - eine gute Lektüre. Bleiben Sie gesund.
Unsere Themen
- Reformationstag: Glauben und frisch vertrauen heißt der Text, in dem sich Altbischof Axel Noack mit Luthers Erbe beschäftigt
- Prüfstand: Wie kann sich mein Glauben verändern? Was bedeuten neue Begegnungen für unsere eigene Reflexion? Zwischen Wissen und Hoffen gibt Antworten
- Umzugskartons: Das Pfarr-Ehepaar Lieberknecht verabschiedet sich in den Ruhestand. Wir haben ihre Geschichte, die der Christen in der DDR, noch einmal aufgeschrieben.
- Veränderung: Die braucht auch die Kirche - sagt zumindest die Grünen-Bundestagsabgeordnete und EWD-Synodale Kathrin Göhring-Eckardt
Außerdem„Wir rechnen mit 200 Leuten“"Ein feste Burg ist unser Gott"
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